Der Zauberspiegel
Harmloserem als einem bösartigen Zauberer und einem unterjochten Königreich konfrontiert zu werden.
»Was soll ich damit? Ruhm vergeht und Reichtum macht die Menschen auch nicht glücklich. Ich habe eure Verdächtigungen und Vorwürfe nicht verdient. Ich habe nicht darum gebeten, in eine derartige Lage zu geraten. Und ebenso wie ihr habe ich nicht bekommen, was ich erwartet habe. Machen wir einfach das Beste daraus. Ich bin anscheinend das Einzige, was eure Götter herbeizuschaffen vermochten.« Juliane verschränkte ihre Arme und funkelte Rael und Torus an.
Aufbrausendes Ding!
Sie wusste nicht, von wem der Gedanke stammte, doch sie vermutete von Rael. Er starrte sie mit durchbohrendem Blick an. Temperament hat die Kleine. Dennoch, sie ist ein Hänfling, schwach und ungeübt im Umgang mit Waffen. Die Schicksalsmächte müssen wahrhaft verzweifelt sein.
Nun war sie sicher, dass sie Raels Gedanken empfing.
Elyna setzte sich zu ihr auf das Bett und nahm ihre Hand. Sie machte eine beschwichtigende Geste. »Du musst uns verstehen. Kloob könnte eine List ersonnen haben, um Kalira in die Finger zu bekommen. Vielleicht ist seine Geduld erschöpft. Er könnte dem Gedanken verfallen sein, Kalira könnte sich als Auserwählte erweisen. Jetzt, wo sie alt genug ist.«
Juliane zuckte mit den Schultern. »Ihr habt also Angst, dass ich von Kloob geschickt wurde.«
Torus räusperte sich. »Ist das so?«
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. »Glaubt ihr, er würde sich diese Mühe machen? Würde er nicht eher eine Armee zu euch schicken?«
Rael deutete Elyna und Torus, ihm hinaus zu folgen. Kalira blieb bei ihr.
»Sie werden sich beratschlagen«, erklärte sie Juliane.
»Prima, ich reiche mein Amt gern an einen anderen weiter«, bot sie an und rümpfte die Nase. »Hast du vielleicht Interesse?«
Kalira lachte. »Die Schicksalsmächte halten dich für würdig«, wehrte sie ab.
Juliane seufzte. »Was wollen Rael und Elyna eigentlich nun besprechen? Wollen sie ein riesiges Katapult bauen, mich darauf setzen und versuchen, mich als Wurfgeschoß gegen Kloob einzusetzen?«
Kalira verneinte feixend. »Wir hatten auf dein Erscheinen gehofft, doch wir sind nicht vorbereitet. Wir können dich nicht zu Kloob schicken, ohne Vorkehrungen zu treffen. Du musst Unterricht erhalten.«
Juliane rollte die Augen. »Das ist nicht dein Ernst! Unterricht? Ich?« Das war zauberhaft. Hoffentlich brachte man ihr Nützlicheres bei als den Dreisatz.
Die vergangenen zwei Wochen waren Juliane wie eine Ewigkeit erschienen. Inzwischen hatte sich unter den Rebellen die Nachricht verbreitet, dass sich die Prophezeiung erfüllen würde.
»Es ist furchtbar«, seufzte Juliane und rührte mit der Fingerspitze in einem Krug Milch.
»Was denn?«, fragte Kalira irritiert.
Sie antwortete nicht auf die Frage ihrer Freundin, sondern erkundigte sich stattdessen: »Kennst du das Gefühl, eingesperrt zu sein?« Sie sprang auf und lief in dem Raum auf und ab wie ein gefangener Tiger. Ihre Schritte hallten dumpfen Schlägen gleich von den Felsen wider. Gegen die Unruhe half die Bewegung leider kein bisschen.
»Seit alle wissen, dass ich das Mal der Sonne trage, werde ich hofiert wie eine Prinzessin. Keinen Schritt kann ich mehr tun, ohne dass mir jemand auf den Fersen ist, um mir einen Wunsch zu erfüllen. Es ist beinahe gruselig!« Sie schüttelte sich. »Erst heute Mittag ist dieser pummelige Abdecker aufgesprungen, als er mich gesehen hat. Er hat seine Hammelkeule geschwungen und redete mit vollem Mund auf mich ein. Er hat auf mich wie ein Zombie gewirkt. Ich hatte eine Todesangst vor ihm!«
Kalira unterdrückte ein Lachen und erhob sich schmunzelnd. »Komm, ich möchte dir etwas zeigen.« Sie reichte ihr einen schweren, wollenen Mantel und warf sich ihren eigenen über.
Kalira führte sie durch eine Reihe verschlungener Gänge. Die Tunnel, die von den Rebellen benutzt wurden, ließen die beiden bald hinter sich und liefen nun in teilweise engen, niedrigen Gängen entlang. Auf den feuchten Wänden wuchs stellenweise Schimmel, und von irgendwoher drang das beständige Tröpfeln von Wasser. Ein modriger Geruch lag in der Luft. Auf einmal spürte sie einen sanften, kühlen Luftzug, der stärker wurde, je weiter sie in den Berg vordrangen. Vor den Freundinnen wurde es heller und der Tunnel beschrieb einen weiten Bogen. Nun erfüllte das Brausen und Tosen eines eisigen Windes den Gang, und Juliane wurde von Kalira festgehalten, bevor sie auf den Abgrund
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