Der Zauberspiegel
aufsteigendem Grauen. Die meisten erkannte sie, doch keine sagte ihr zu. Es waren eben gefährliche, tödliche Waffen. »Muss das sein?«
Brack rieb sich die Hände, auch ihm schien die Kälte unangenehm zu sein. »Wenn du nicht bei deiner ersten Begegnung mit den Todesreitern in Scheiben geschnitten enden willst, würde ich dir empfehlen, dich mit diesen Dingern anzufreunden.«
Entschlossen griff sie nach einem Schwert.
»Kluge Wahl«, meinte Brack zufrieden.
Verwundert bemerkte sie, dass das Schwert schwerer war, als sie gedacht hätte. Der lederumwickelte Griff schmiegte sich in ihre Handfläche und wurde angenehm warm. Sie drehte und wendete das Schwert und konnte nicht glauben, dass sie vor wenigen Sekunden noch Angst hatte, eine Waffe auch nur zu berühren. Sie schwang das Schwert ein paar Mal und erkannte, dass dieses Gefühl etwas seltsam Vertrautes hatte.
Juliane blickte auf zu Brack, der eine eigentümliche Miene zur Schau trug. Das hatte er ihr wohl nicht zugetraut.
»Geh in Angriffsstellung.«
Sie hatte keine Ahnung, was Brack damit meinte, und stellte sich so auf, wie sie es einmal in einem Film gesehen hatte. Brack trat hinter sie und korrigierte ihre Stellung schweigend.
»Wir beginnen mit den Spiegelbild-Übungen. Ahme meine Bewegungen nach.«
Den Rest des Tages verbrachten sie mit verschiedenen Schwertübungen, und als Brack den Unterricht beendete, wusste sie nicht, ob ihre Finger, ihre Beine oder ihre Schultern mehr schmerzten. Alles war verspannt und sie war sicher, morgen den schlimmsten Muskelkater ihres Lebens ausbaden zu müssen. Vielleicht mussten sie mit dem Training pausieren. Sie grinste. Die Aussicht ließ sie einen Muskelkater herbeisehnen, auch wenn sie wusste, Brack würde sich niemals darauf einlassen.
Die Wochen vergingen. Julianes Ausbildung zeigte Fortschritte. Täglich übte sie mit Brack vor den Höhlen. Kalira brachte ihr bei, wie man ein Lagerfeuer entfachte und Kleider flickte. Elyna lehrte sie, Wunden zu versorgen und Verbände anzulegen.
Brack schärfte ihr wieder und wieder ein, wie sie mit dem Schwert umzugehen hatte, zeigte ihr einige Griffe und Tritte, mit denen sie sich verteidigen konnte, wenn sie keine Waffen hatte, und unterrichtete sie im Umgang mit der Armbrust.
Die Unterweisungen bei Brack erwiesen sich als die anstrengendsten Stunden ihres Lebens und ihr taten mehr Muskeln weh, als sie je für möglich gehalten hätte zu haben, doch gleichzeitig stellte sie fest, dass sie die körperliche Betätigung genoss. Sie liebte die Herausforderung, das Gefühl, an ihre Grenzen zu gehen und sich Höchstleistung abzuverlangen.
Am Ende des Winters hatte ihr Körper sich verändert. Sie war schlanker denn je, doch durch die wachsenden weiblichen Rundungen wirkte sie nicht länger dürr und schlaksig.
Juliane war die Letzte gewesen, die vor dem harten Winter das Versteck der Rebellen erreicht hatte. Danach verhinderten die schlechten Wetterverhältnisse den Aufstieg. Nun, mit der Schneeschmelze hoffte Juliane beinahe sehnsüchtig auf Ranons Ankunft. Oft ertappte sie sich dabei, wie sie in die Ferne blickte und Ausschau nach ihm hielt.
Als die ersten Vorboten des Frühlings auftauchten, arbeiteten Rael und die anderen Rebellen fieberhaft an den Plänen zur Befreiung Moiras aus den Händen der Todesreiter.
Sie saß gebannt bei Kalira, Elyna, Rael, Torus und einigen anderen am Tisch und lauschte ihren Plänen. Vor ihnen lag eine Landkarte, auf der Straßen, Bäume und weiße Flecken eingetragen waren. Torus warf einen weiteren Lageplan darüber.
Juliane beugte sich vor. »Was ist das?«
»Die Blauen Berge.« Torus fuhr mit dem Finger eine Linie nach. »Ich würde diesen Weg empfehlen.«
Rael runzelte die Stirn. »Ein riskanter Weg, um ins Tal zu gelangen. Wie lange würdet ihr auf dieser Strecke unterwegs sein?«
»Sieben Sonnenläufe, aber dafür begegnet man keinem Todesreiter. Ich bin im letzten Frühling über diesen Weg ins Morvannental vorgedrungen. Der Pfad ist bedeutend harmloser, als es auf der Karte den Anschein erweckt.«
»Also gut«, stimmte Rael zu. Er nahm die Karte und verstaute sie sorgsam in einer Lederrolle.
»Das Morvannental wird das größere Problem sein«, meinte Elyna nüchtern. »Juliane, hat dir Kalira schon vom zweiten Teil der Prophezeiung erzählt?«
Juliane setzte sich aufrecht hin. Bitte, was? »Nein.« Himmel, Arsch und Gartenzwerg! Schon wieder eine Prophezeiung? War sie als Auserwählte etwa auch die Einzige, die Moira
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