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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Carver
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habe ein Heilkraut aufgelegt. Das sorgt dafür, dass sich nichts entzündet und die Blutung rasch gestillt wird. Du wirst sehen, morgen können wir den Verband schon abnehmen.« Torus gab sich zuversichtlich.
    Juliane nickte. »Danke.« Sie sah zu Kalira, die noch immer auf dem Boden saß und Ranon beobachtete, der etwas in seiner Satteltasche verstaute. In ihrem Blick lag Misstrauen, während in Ranons Augen eine tiefe Traurigkeit zu lesen war. Juliane konnte sich gut vorstellen, woher diese Empfindungen rührten. Die beiden waren wie Hund und Katz. Unverständlich, warum sie nicht einfach darüber redeten, was vorgefallen war. Ein Gespräch konnte manchmal Wunder bewirken und ein Wunder schien zwischen den beiden nötig, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen.
    Als Ranon entdeckte, dass Juliane ihn ansah, schenkte er ihr ein schwaches Lächeln und zuckte mit den Schultern. Kalira zog es vor, so zu tun, als würde sie von all dem nichts mitbekommen.
    Die nächste Stunde verbrachten sie auf dem Felsplateau, um Kraft für den Abstieg zu schöpfen. Das Schweigen zwischen Kalira und Ranon drückte auch Julianes Laune nieder. Sie konnte nicht verstehen, weshalb die beiden sich so kindisch benahmen. Irgendwann musste man die alten Geschichten doch hinter sich lassen. Sie schüttelte den Kopf.
    Die angespannte Stille wurde gelegentlich von dem Schrei eines Vogels durchbrochen. Jedes Mal, wenn der Laut verstummte, wirkte das Schweigen noch unheimlicher und bedrückender als zuvor.
    Schließlich stand Torus auf und klopfte sich den Staub von der Hose. »Lasst uns aufbrechen. Ich will das Tal vor Einbruch der Dunkelheit erreichen.«
    Niemand erhob Einwände.
    Der Abstieg gestaltete sich schwieriger, als Juliane sich vorgestellt hatte. Der Weg war nicht nur steil und schmal, sondern bestand auch zum größten Teil aus vom Regen- und Schmelzwasser glattgewaschenen Felsen. Sie ritten um einen Geröllhaufen, als plötzlich ein markerschütternder Schrei durch das Tal hallte. Jeder erstarrte.
    »Was war das?«, fragte Juliane und fühlte nichts als blankes Entsetzen.
    »Ein Mensch«, flüsterte Kalira und erschauderte sichtlich, während ihr Blick hin und her huschte, als befürchtete sie, jeden Moment auf einen der Todesreiter zu stoßen.
    Himmel, wie gern würde ich ihr versichern, dass sie keine Angst zu haben braucht. Dass ich sie beschützen würde. Dieses Recht habe ich wohl vertan, als ich ihr am Tag unseres Aufbruchs nicht gesagt habe, was ich wirklich für sie fühle, stattdessen habe ich Unsinn geredet wie ein Trunkenbold.
    Juliane widerstand dem Impuls, sich an Ranon zu wenden, um ihm zu sagen, dass er seine Gedanken endlich mit Kalira teilen sollte. Dennoch war es hart zu hören, dass er Kalira liebte.
    Ranon grinste sie auf einmal an und sie versuchte, ihre Überraschung zu verbergen, als sich ihre Blicke trafen.
    »Ach was«, warf Torus ein. »Das Geheul stammt sicherlich von einem Tier.«
    Niemand widersprach ihm, obwohl alle nur zu genau wussten, dass es kein Tier gewesen war.
     
    Erschöpft erreichten sie wenig später das Tal.
    Die kleine Lichtung war von Pinien umgeben, deren Zapfen so groß wie Torus’ Fäuste waren. Im Dickicht wuchsen exotische Blumen. Der Wind raunte durch die Baumwipfel und trug den Geruch verschiedener Pflanzen und tropischer Baumharze heran. In den Ästen der Bäume zwitscherten Vögel.
    Die Wiese, auf der sie standen, war ein farbenfroher Teppich aus den verschiedensten Blumen. Noch niemals zuvor hatte Juliane eine solche Vielfalt an Pflanzen gesehen. Einen Moment erlaubte sie sich den Luxus, die Augen zu schließen und Düfte und Geräusche auf sich wirken zu lassen.
    Sie spürte ein silbriges Summen in der Luft , und mit einem Mal fühlte sie sich willkommen, wie man es nur in seiner Heimat sein konnte. Überrascht über diesen Gedanken sog sie die Luft ein. Sie wusste, dass dieses Empfinden von einer Person stammte, die ihr fremd und zugleich irgendwie vertraut schien. Sie sah sich um, versuchte, dieses Gefühl festzuhalten, um es genauer zu bestimmen, doch es war genauso schnell verschwunden, wie es gekommen war. Was blieb, war ein fremder Ort, den sie nie zuvor betreten hatte. Der Unbekannte, dessen Gedanken und Gefühle sie aufgefangen hatte, war nicht anwesend, soviel erkannte Juliane. Dafür nahm sie ein silbernes Flirren über sich wahr wie von einer Schnur oder einem Band. Sie fühlte sich davon angezogen, wollte die Finger danach ausstrecken, stattdessen stopfte sie ihre

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