Der Zauberspiegel
für alle! Der alles besser weiß und nie die Stimme erhebt.« Kalira knirschte mit den Zähnen .
»Ich will dir ja nicht widersprechen, Kalira«, meinte Juliane vorsichtig. »Aber ich kann Ranon gut leiden.«
Kalira stieß einen entrüsteten Laut aus und rannte davon. Juliane widerstand der Versuchung, ihrer Freundin zu folgen nur, weil Brack sie zu sich rief.
»Wir beenden unsere Übungen, Juliane. Du musst Kräfte sammeln.«
»Weshalb?«
»Hat die Prinzessin denn nichts erzählt?«, fragte der Krieger stirnrunzelnd. »Ihr brecht morgen auf.«
»Was?«, rief Juliane entsetzt. »Aber, Brack, das geht nicht. Du hast selbst gesagt, dass meine Schwertkünste miserabel sind. Ich bin lange noch nicht so weit.«
Brack legte besänftigend seine Hände auf ihre Schultern. »Beruhige dich, Mädchen. Du hast die vergangenen Monate viel gelernt und du bist gut genug, gegen einen Soldaten anzutreten. Deine Ausbildung ist besser als die der meisten Todesreiter.«
»Woher willst du das wissen?« Ihre Hände wurden feucht. Selbst wenn sie wirkungsvolleren Unterricht erhalten hatte als die Soldaten, wie sollte sie eine Chance gegen erwachsene, kräftige Männer haben? Sie schluckte. »Kannst du uns nicht begleiten?«
Brack schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall werde ich das Lager verlassen. Ich halte die Stellung, bis du zurückkehrst. Das schwöre ich den Schicksalsmächten.« Brack klang feierlich.
Seiner Miene nach sollte sie sich geehrt fühlen. »Scheiß auf die Götter. Warum seid ihr nur alle so darauf aus, diese nebulösen Götter glücklich zu machen? Hat niemand ein bisschen klaren Menschenverstand?«
Brack drückte aufmunternd ihre Schulter. »Wir müssen tun, was uns die Götter befehlen.« Resigniert nickte Juliane. Gegen die Schicksalsmächte kam sie ja doch nicht an. Der Krieger nahm ein Lederband ab, das um seinen Hals hing, und reichte es ihr. Ein langer Raubtierzahn baumelte daran, und sie warf Brack einen fragenden Blick zu. »Das ist mein Talisman. Er hat mir bisher immer Glück gebracht. Nun soll er dein Glücksbringer sein«, erklärte er.
Gerührt sah sie den Mann an, ehe sie das Band über ihren Kopf streifte und dem Krieger dankte. Brack winkte ab und warf ihr das Übungsschwert zu.
»Hilf mir beim Aufräumen!«
Juliane verließ die Höhle und rückte ihr Schwert zurecht.
Die Sonne tauchte die Bergspitzen in orangefarbenes Licht und die grellweißen Gletscher reflektierten die Strahlen, sodass sie wie Diamantenfelder funkelten. Juliane freute sich über die ersten Sonnenstrahlen, und obwohl es kühl war, schob sie ihre Ärmel hoch. Sie musterte die vier Pferde, die zum Aufbruch bereitstanden.
Außer ihr schien niemand im Freien zu sein. Ein paar Minuten genoss sie die Einsamkeit und Ruhe, bevor sie ein leises Husten vernahm. Sie blickte auf und erkannte Torus zwischen den Pferden. Torus grinste, was die Fältchen um seine Augen verstärkte. »Bist du bereit für das große Abenteuer?«
»Klar, hatte für die nächste Zeit ohnehin nichts vor. Und du?«
Torus zog seine auffällige Hakennase kraus. Ihm war ihre seltsame Ausdrucksweise, in die sie manchmal noch verfiel, offenbar noch nicht vertraut. »Nun, ich muss gestehen, ich könnte mir Schöneres vorstellen.«
In seiner Gesellschaft würde sie die ständigen Streitereien Kaliras und Ranons eher ertragen können. Kaum hatte sie an ihre Freundin gedacht, trat diese auch schon aus der Höhle.
Sie steuerte strahlend auf Juliane und Torus zu. »Seid ihr aufbruchsbereit?«
Kalira schien gut gelaunt zu sein und so wagte Juliane, nach Ranon zu fragen.
Kaliras Miene verdüsterte sich. »Ich hoffe, er ist über Nacht von einem wilden Tier gefressen worden.«
»Kalira«, ertönte eine Stimme über ihnen. »Wie kannst du so etwas sagen?«
Juliane, Kalira und Torus blickten nach oben. Sie erkannte Ranon, der auf einem schmalen Felsvorsprung stand. Der Wind zerzauste sein blondes Haar, seine Wangen hatten sich gerötet und seine Augen blitzten übermütig.
»Komm sofort da runter! Du wirst dir den Hals brechen«, befahl Kalira. »Ich wusste doch, dass mein Wunsch nicht in Erfüllung geht«, murmelte sie, nur für Juliane und Torus hörbar.
Vergnügt wandte Ranon sich an Juliane und Torus: »Habt ihr das gehört? Sie macht sich Sorgen um mich.«
»Ganz und gar nicht«, erklärte Kalira mit eisiger Stimme. »Ich möchte nur nicht um das Vergnügen gebracht werden, dir eigenhändig die Kehle durchzuschneiden.«
Ranon lachte und beugte sich ein
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