Der Zauberspiegel
unbeobachtet zu sein. Für einen Wimpernschlag leuchtete ein Feuer in ihren Augen und dieses Feuer galt einzig und alleine Ranon. Was nötig war, um Kalira wachzurütteln, war eine Gelegenheit, sich auszusprechen, und Juliane war fest entschlossen, ihnen diese Gelegenheit zu verschaffen.
*
Torus schlief tief und fest. Eine Weile hatte Kalira gegen das kindische Bedürfnis angekämpft, ihm Kletten in den Hemdkragen zu stopfen. Seine Strafpredigt wegen ihres Benehmens Ranon gegenüber hatte jede Schelte übertroffen, die sie je hatte einstecken müssen. Jetzt, wo ihr Gemüt langsam abkühlte, sah sie ein, dass Torus recht hatte. Nicht in allem, aber was das Grundsätzliche betraf. Ob es ihr gefiel oder nicht: Ranon war Teil der Mission und ihre Streitereien raubten den anderen nicht nur die Nerven, es konnte im Ernstfall gefährlich sein, wenn derartige Animositäten in der Gruppe herrschten. Es brachte sie ihrem Ziel keinen Schritt näher.
Wenig später kehrten Juliane und Ranon zurück. Während sie zu dritt am Lagerfeuer hockten und schweigend aßen, wich sie Ranons Blicken aus.
Nach dem Essen verkündete Juliane, dass sie schrecklich müde sei. Sie streckte sich und gähnte ausgiebig, dann machte sie es sich etwas abseits des Lagerfeuers gemütlich. Oder zumindest so gemütlich, wie es auf dem harten Boden möglich war.
Die Tatsache, dass Juliane nicht fragte, ob sie sich ebenfalls schlafen legen wollte, machte Kalira stutzig. Was führte dieses hinterhältige Weibsbild denn nun schon wieder im Schilde?
Ranon lächelte, scheinbar amüsiert über Julianes Verhalten. Offenbar war sie nicht die Einzige, die wusste, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Ihre Blicke trafen sich, und Kalira blinzelte überrascht, als sie seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Die beiden steckten unter einer Decke.
»Was ist los?« Kalira machte die Zweisamkeit mit Ranon nervös und sie versteckte diese Nervosität hinter einer wütenden Miene.
Ranon zögerte, doch dann gab er sich offensichtlich einen Ruck. »Kalira, ich habe dir damals sehr wehgetan. Es tut mir leid.«
»Du hast mit meinen Gefühlen gespielt, ja. Du musst sehr gelacht haben, als ich für dich alles aufgeben wollte«, sagte sie, ohne den Schmerz darüber zu verbergen. Sollte er ruhig wissen, wie weh er ihr damals getan hatte. »Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen. Ich bin froh, dass ich dein wahres Gesicht rechtzeitig erkannt habe.« Sie war dankbar für die Dämmerung, so konnte Ranon die Verlegenheitsröte auf ihren Wangen nicht sehen.
Ranon wollte sie berühren, hielt aber inne, als sie ihm einen giftigen Blick zuwarf, der ihn warnte, auch nur daran zu denken.
»Es tut mir leid.« Er klang unendlich müde.
»Spar dir deine Lügengeschichten.«
»Ich habe dich nur ein einziges Mal belogen, als ich behauptet habe, dich nicht zu lieben. Kalira, ich hätte noch viel Schlimmeres gesagt, hätte ich dadurch verhindern können, dass du mich begleitest. Ich hätte es nicht ertragen, wenn dir etwas zugestoßen wäre.«
»Lügen!« Kalira schnaubte. »Was soll das jetzt? Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?« Ein seltsames Gefühl kroch ihre Wirbelsäule empor und brachte ihre Nervenenden zum Vibrieren. Sagte er die Wahrheit? Wie gern hätte sie ihm geglaubt. Als sie in seine dunkelblauen Augen blickte, klopfte ihr Herz schneller.
»Ich liebe dich, Kalira. Ich liebe dich schon so lange.«
Das war zu viel. Erst stieß er sie von sich, als wäre sie etwas fürchterlich Lästiges und jetzt dieses Liebesgeständnis? Kalira sprang auf und drehte sich um. Ranon schwieg und so entstand eine peinliche Stille.
Der kühle Abendwind spielte mit ihrem Haar. Einige Strähnen kitzelten sie am Hals und sie wischte sie zitternd beiseite.
Sie war froh, dass Ranon ihr Gesicht nicht sehen konnte. Sie spürte ihn hinter sich stehen, und sie schluckte mühsam.
»Kalira, hast du mich verstanden? Ich liebe dich«, flüsterte Ranon. Er klang ehrlich. So ehrlich, dass sie ihm nur zu gern geglaubt hätte.
Irgendwie gelang es ihr, ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen. »Ich möchte nichts davon hören.«
Ranon drehte Kalira zu sich um. Überrumpelt ließ sie zu, dass er sie an sich zog. Er hob ihr Kinn und küsste sie zärtlich.
Sie ertappte sich, dass sie den Kuss und seine Nähe genoss. Sein Herz schlug ebenso heftig wie ihres. Sein Körper fühlte sich fest und warm und muskulöser an, als sie ihn in Erinnerung hatte. Einen Moment verlor sie
Weitere Kostenlose Bücher