Der Zauberspiegel
und sie links und rechts ohrfeigte, sodass seine Hände rote Abdrücke auf ihrem Gesicht hinterließen. Tatsächlich zeigten die Schläge Wirkung. Juliane öffnete keuchend die Augen. Sie schluchzte und ließ zu, dass Torus sie tröstend an sich drückte.
»Fehler … nach Hause … wollte mich töten«, stammelte sie zwischen den Schluchzern.
»Beruhige dich. Und dann erzähl uns, was geschehen ist«, forderte Torus sie auf.
Sie nickte und wischte die Tränen fort.
Kalira bemerkte, dass sie während der ganzen Zeit Ranons Hand umklammert hatte, und ließ ihn hastig los.
Juliane rückte von Torus ab. »Etwas schrecklich Böses ist mir gefolgt. Es wollte mich töten.«
»Es war ein Traum, Juliane. Nur ein schlimmer Traum«, beruhigte Kalira sie sanft. Ihre Unsicherheit kaschierte sie hinter einem Lächeln. Sie wusste um Julianes Wahrträume. Warum sollte der Traum nicht eine Warnung sein? Oder die Anwesenheit eines Fluches? Kloob war ein mächtiger Schwarzmagier. Kalira traute ihm derartige Fähigkeiten durchaus zu. Obwohl Furcht sie ergriff, blieb sie stumm. Ihre Befürchtungen in Worte zu fassen, half im Moment keinem von ihnen.
Juliane schüttelte den Kopf. »Nein, es war mehr als ein Traum. Irgendwas will mich umbringen!«
Kalira ergriff ihre Hand. »Beruhige dich. Du bist nicht allein.«
Torus klopfte Juliane wie zur Ermutigung auf die Schulter. »Komm, leg dich hin und schlaf wieder. Was auch immer dich heimsuchen wollte, es ist weg.« Mit besorgter, väterlicher Miene deckte er Juliane zu, als sie sich in ihre Decken sinken ließ. Er gab Kalira und Ranon mit einem Wink zu verstehen, sich ebenfalls zur Ruhe zu begeben. Ranons Hand legte sich auf ihren Rücken und Kalira entwand sich seiner Berührung, doch mehr aus Gewohnheit als aus echtem Widerwillen. Er erstarrte. Dann ging er zu seinen Decken und wickelte sich darin ein, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.
6. Kapitel – Gefangen
W ütende Stimmen weckten Juliane. Kalira und Ranon stritten sich. Wieder einmal. Einen Moment blieb sie liegen. Sie fühlte sich wie zerschlagen, ihre Muskeln waren verspannt und sie empfand unglaubliche Müdigkeit. Kaliras Sätze steigerten sich zu schrillen Zischlauten. Juliane erhob sich stöhnend und rollte ihre Decke zusammen. Ihre Stimmung erwies sich als miserabel und das Gekeife ihrer Freunde trug nicht zur Verbesserung ihrer Laune bei.
»Haben wir dich geweckt?«, fragte Kalira.
»Nein, ich schlafe nie besser, als wenn man sich quasi über mir verbal auskotzt.«
Juliane setzte sich ans Lagerfeuer, das lustig vor sich hin prasselte.
Für einen Moment vergaß Kalira offenbar ihren Streit mit Ranon und warf ihm einen erstaunten Blick zu.
»Wie hast du geschlafen, Juliane?«, erkundigte sich Ranon.
»Schrecklich«, entgegnete Juliane wahrheitsgemäß und sah sich um. »Wo ist Torus?«
»Er ist vor einer Weile mit einer Landkarte in den Wald gegangen«, antwortete Ranon.
Nun erfasste Juliane den Sinn der vorangegangenen Streiterei. Offenbar waren sie uneins über die Befehlsgewalt, wenn Torus abwesend war. Juliane schnaubte. Wenn zwei sich stritten, freute sich auch in Goryydon der dritte. Selbstverständlich würde sie in diesem Fall bestimmen. Sie grinste in sich hinein und ignorierte die beiden.
Ranon machte sich daran, das Feuer zu löschen, als Torus auf die Lichtung stürzte.
»Schnell, packt alles zusammen! Wir müssen sofort von hier verschwinden.«
Angesichts der Eindringlichkeit seiner Worte sprang Juliane auf; ihr Herz klopfte aufgeregt, ihre schlechte Laune war vergessen. »Was ist los?«
»Zwei Soldaten kommen genau in diese Richtung«, erklärte Torus und begann hektisch, seine sieben Sachen zusammenzupacken.
Juliane neigte sich hastig zur Seite, als der Ast nach hinten schnellte, dennoch traf einer der Zweige sie an der Wange. Zähneknirschend rieb sie über die Stelle, während sie einen weiteren Ast beiseiteschob. »Wie lange müssen wir noch hier im Unterholz bleiben?«, fragte sie gereizt.
Kalira warf einen Blick nach hinten. »Bis wir das Tal verlassen haben. Die Gefahr ist zu groß, dass wir den Soldaten begegnen, wenn wir auf dem Weg bleiben. Zudem reiten wir ja nicht wirklich durch das Unterholz, sondern vielmehr neben den Wegen, um nicht sofort gesehen zu werden, sollten Todesreiter vorbeikommen.« Scheinbar gedankenverloren griff sie sich an den Hals, nur um sogleich zu erstarren. »Meine Kette! Meine Kette ist weg«, rief sie entsetzt.
Ranon und
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