Der Zauberspiegel
Weise an. Legt eure Waffen nieder und ich verspreche euch, keinem wird ein Haar gekrümmt!«
»Ja, solange bis wir auf der Folterbank liegen oder am Galgen stehen«, sagte Torus höhnisch und zog sein Schwert. Ranon, Kalira und sie taten es ihm nach. »Wenn ihr uns gefangen nehmen wollt, dann mit Gewalt!«
Es schien Juliane, als läge über allem der Schleier des Unwirklichen. Sie wusste, dass sie ihren ersten Kampf überstehen musste. Das Schwert wog schwer in ihrer Hand. Sie konzentrierte sich auf das Gewicht ihrer Waffe, auf die Bewegungen, die es erfordern würde, das Schwert zu schwingen. Sie weigerte sich an etwas anderes zu denken, dennoch war ihr Hals wie zugeschnürt und das Herz schlug so wild gegen ihren Brustkorb, dass sie jede Rippe vibrieren fühlte.
Auf einen Wink des Hauptmanns stürmten die Soldaten los. Juliane erwartete die Attacke ihres Gegners. Sie wich dem Schlag aus und griff selbst an. Ihr Gegner war größer als sie und auch kräftiger, doch er schien im Umgang mit dem Schwert nicht viel geübter zu sein. Dennoch ließ sie nicht zu, Erleichterung zu fühlen. Bracks Training zeigte Wirkung. Wieder und wieder hatte er es ihr eingebläut: Wenn sie nur einen Fehler machte, eine winzige Unachtsamkeit zuließ, konnte ihr Angreifer sie verletzen oder gar töten. Juliane riss ihr Schwert hoch und fing den Hieb des Schwarzen ab. Je länger der Kampf andauerte, desto erbitterter prasselten die Attacken des Kriegers auf sie ein. Hinter dem Helm glänzten seine Augen siegessicher. Offensichtlich hielt er sie für keine ernsthafte Gegnerin.
Ein Hieb warf Juliane beinahe aus dem Sattel; während sie um ihr Gleichgewicht rang, wehrte sie weitere Schläge des Soldaten ab. Scheiße! Schwertkämpfe zu Pferd hatten nicht zu Bracks bevorzugtem Trainingsprogramm gehört. Verzweifelt drosch sie auf ihn ein und verfluchte wiederholt die Tatsache, auf einem Pferd zu sitzen. Sie riss ihren Fuß hoch und trat dem Soldaten mit voller Wucht gegen den Arm. Im hohen Bogen flog seine Waffe zu Boden. Im selben Moment stieß sie ihm das Schwert in den Leib.
Betäubt sah sie, wie der Körper des Mannes vom Pferd rutschte und mit einem Plumps auf der Erde landete. Ihr blieb keine Zeit für eine Verschnaufpause, denn sofort stürzte sich der nächste Soldat auf sie. Dieser Krieger ging eindeutig besser mit dem Schwert um als sein Vorgänger, und Juliane ahnte, dass er nicht auf ihren Trick mit dem Fußtritt hereinfallen würde. Mit steigender Nervosität blockte sie seine Angriffe ab. Sie versuchte, seine nächste Attacke vorauszusehen, erkannte aber, dass dies ein zweckloses Unterfangen war. Der Todesreiter beherrschte sich gut genug, um keinen seiner kommenden Stöße vorausahnen zu lassen. Dumpfe Verzweiflung breitete sich in ihr aus, als sie begriff, dass der Krieger ihr überlegen war. Sie verdoppelte die Anstrengungen ihrer Hiebe. Mit Wucht drosch sie auf den Soldaten ein, riss ihr Schwert hoch, wehrte seine Attacken ab, griff ihn wieder an. Mit einem wütenden Aufschrei ließ der Krieger seine Faust an ihre linke Schläfe sausen. Der Fausthieb raubte ihr die Sinne und sie fiel vom Pferd.
Als Juliane wieder zu sich kam, versetzte der Hauptmann Kalira gerade einen Kinnhaken und zog sie aus dem Sattel auf sein Pferd. Juliane missachtete den hämmernden Kopfschmerz und rappelte sich auf. Sie rannte dem Hauptmann entgegen. Zu ihrer Überraschung gelang es ihr, die Zügel seines Pferdes zu packen und daran zu zerren. Das Leder schnitt ihr in die Hände, stöhnend ignorierte sie die Schmerzen und das Reißen in ihren Schultern, und ließ sich ein Stück von dem Pferd mitschleifen. Zu spät bemerkte sie die Faust des Hauptmanns, die auf ihr linkes Auge zuraste. Die Kraft und die Wucht des Boxhiebs ließen Juliane zu Boden stürzen. Sie rappelte sich wieder auf und musste sich mit einem Sprung zur Seite vor davongaloppierenden Pferdehufen in Sicherheit bringen. Sie schnappte sich ihr Schwert und schwang sich auf ihr Pferd.
»Ranon, sie haben Kalira«, schrie Juliane und nahm die Verfolgung der fliehenden Soldaten auf. Das Stakkato galoppierender Pferdehufe übertönte die Geräusche der Umgebung. Aus den Augenwinkeln sah Juliane, dass Ranon und Torus ihr folgten.
»Bleib stehen«, befahl Torus und trieb sein Pferd und das Kaliras an. Als er auf Julianes Höhe ritt, griff er nach der Kandare ihres Pferdes und zwang sie anzuhalten. Kaliras Hengst wieherte, als Torus unsanft an seinen Zügeln zerrte, während er sich zu
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