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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Carver
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sich freiwillig auf eine Streckbank, als dem Mann zu zeigen, dass sie sich ängstigte, und das gelang ihr einfacher, wenn sie ihn nicht ansah. Stattdessen starrte sie auf das prasselnde Feuerchen in der Mitte des Zeltes, als sie die Musterung ihrer Hände beendet hatte.
    Der kahle General ging langsam auf sie zu, dann deutete er seinem Hauptmann an, das Zelt zu verlassen. Kalira hob nun doch ihren Blick und fing sein verächtliches Grinsen auf. »Ihr dachtet doch nicht allen Ernstes, dass wir Euer Eindringen in unser Territorium nicht bemerken würden?«
    »Eigentlich hatten wir erwartet, vor Eurer Nase durch das Tal zu spazieren, um hier zu tun und zu lassen, was immer uns beliebt«, spottete Kalira.
    »Galgenhumor, wie überaus erfrischend, Euer Hoheit. Doch ich bin überzeugt, dass Euch Euer freches Mundwerk schon bald verlassen wird, wenn Ihr als meine Gefangene in den Folterkeller der Burg geführt werdet. Seid versichert, unter meiner Zuwendung werdet Ihr schreien. Doch gewiss nicht vor Wonne«, versprach er ihr mit einem Ausdruck gleichgültiger Gelassenheit. »Oder kennt Ihr meinen Namen nicht? Ich bin Iorgen!«
    Bei der Erwähnung des Namens zuckte Kalira nun doch zusammen, obwohl sie beim ersten Blick auf den Mann gewusst hatte, wer er war.
    Es gab niemanden in ganz Goryydon, der bei diesem Namen nicht erschauderte. Wenn nur ein Teil der Geschichten der Wahrheit entsprach, hatte Iorgen den legendären Ruf, in seiner Grausamkeit Kloob ebenbürtig zu sein, nicht umsonst erhalten.
    Kalira gelang es, ihren Schrecken zu unterdrücken und sie rümpfte verächtlich die Nase. »Ihr seid Iorgen? Ich bin enttäuscht. Ihr seid nichts weiter als ein Possenreißer.« Aus den Augenwinkeln beobachtete sie den Zelteingang, während sie sich ihre Chancen bei einem Überraschungsangriff ausrechnete. Sie fixierte Iorgen mit Verachtung und warf einen verstohlenen Blick auf das Schwert, das am Bett lehnte. Dann musterte sie seinen frei liegenden Kehlkopf. Aus den Augenwinkeln sah sie einen Todesreiter, der vor dem Zelt herumlungerte und hineinstarrte. Sie wandte sich wieder Iorgen zu. »Ihr mögt im Moment noch das Sagen haben. Doch ich werde Königin über Goryydon sein. Egal, was es mich kosten mag. Es ist mein Geburtsrecht.« Aufgewachsen mit dem Wissen, rechtmäßige Herrscherin des Königreichs Goryydon zu sein, mit dem Herzen seinen Bürgern verpflichtet und erzogen, das Beste für Volk und Reich anzustreben, besaß Kalira das Selbstbewusstsein, sich für das Beste zu halten, was dem Land passieren mochte. Und zugleich verfügte sie über genug Selbstironie, um zu erkennen, dass dies nach Kloob kein großes Kunststück sein würde.
    Iorgen wirkte amüsiert. »Ein unvermuteter Charakterzug. Was seid Ihr bereit, dafür zu tun?«
    »Um mein angestammtes Recht zu erlangen, verkaufe ich Seele, Blut und, wenn es sein muss, meinen Körper!« Sie sah dem abwertend lächelnden General ins Gesicht und schleuderte ihm voller Abscheu entgegen: »Ihr seid Abschaum, Iorgen!«
    Er lachte, lachte sie aus. Darauf hatte sie gehofft. Kalira schlug ihm blitzschnell gegen den Kehlkopf. Als er sich röchelnd krümmte, trat sie ihm in die Beine, sodass er den Halt verlor und zu Boden stürzte. Ihr Angriff hatte ihn völlig überrumpelt, denn er lag wie ein Käfer auf dem Rücken und schien einige Atemzüge lang wie versteinert. Mehr Zeit benötigte sie nicht.
    Sie packte Iorgens Schwert und durchtrennte mit einem einzigen Hieb die stützende Holzstange. Das Zelt fiel in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Sofort loderten Flammen auf. Sie zerteilte die herabstürzende Plane und sprang hinaus.
    Tumult brach aus. Eher wegen des Feuers als wegen ihr. Am Rande registrierte sie Iorgens wütende Stimme: »Ich will sie lebend!«
    Chaos brach aus. Das Feuer griff auf andere Zelte über, Soldaten holten Wasser, locker angebundene Pferde scheuten und rissen sich los. Kalira nutzte die Verwirrung und das Durcheinander und floh zurück Richtung Zelt. Ein Schwall Wasser traf sie, als sie zwischen Feuer und einen der Brandhelfer geriet. Dieser warf seinen Eimer fort und versuchte, sie zu ergreifen. Sie wich ihm aus und wischte nasse Strähnen mit ihrem Ärmel aus dem Gesicht. Pferdehufe donnerten heran, dann sprang ein Rappe über das Zelt direkt auf sie zu. Erschrocken duckte sie sich und sah nichts weiter als schwarzes Fell und wirbelnde Hufe.
    Plötzlich wurde sie gepackt und in die Luft gehoben. Sie war so überrascht, dass sie keine Gegenwehr leistete. Ein

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