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Der Zauberspiegel

Der Zauberspiegel

Titel: Der Zauberspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Carver
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Ranon verärgert. »Ich möchte wissen, welcher Dämon Moira die Vision eingab, ihr wäret eine Hilfe bei ihrer Befreiung.« Er holte Luft. »Ihr werdet euch wie zwei zivilisierte Menschen benehmen, und wenn ihr das nicht schafft, dann schwöre ich bei allen Göttern, dass ich mir etwas sehr Unangenehmes für euch ausdenken werde!« Er drehte sich abrupt um und kehrte leise fluchend zu seinem Schlafplatz zurück.
    Nach dieser kurzen, aber sehr deutlichen Strafpredigt schien Kalira entschlossen, sich mit Ranon auszusprechen. Wenigstens hoffte sie, dass sie Kaliras Reaktion richtig deutete. Torus hatte recht, so konnte es nicht weitergehen. Kalira und Ranon mussten endlich die alten Geschichten vergessen und miteinander auskommen. Egal wie.
    »Ranon«, begann Kalira, doch er schob sie achtlos beiseite.
    Er reichte Aran die Hand. Dieser wischte sich mit dem linken Handrücken das Blut aus seinem Mundwinkel und ergriff mit der rechten Ranons Hand.
    »Freunde?«, fragte Ranon zögernd.
    Aran nickte und brachte ein Lächeln zustande. »Ja.« Ranon lächelte und kehrte ans Lagerfeuer zurück, gefolgt von Kalira.
     
    *
     
    Aran spürte Juliane neben sich stehen und versuchte, sie zu ignorieren. Schließlich konnte er nicht widerstehen und blickte zu ihr. Seine Züge wurden weich, obwohl er eigentlich keine verräterische Miene zeigen wollte. Sie berührte sein Herz auf eine Weise, wie er es nie zuvor erfahren hatte. Wenn er sie ansah, glaubte er, seine Einsamkeit wäre nur eine Illusion. Als hätte seine Seele nur darauf gewartet, ihr zu begegnen. Die Silberschnur tat ihr Übriges. Er wusste zu genau, was das bedeutete.
    Er zwang sich zur Vernunft. Er war so weit gegangen, so entschlossen gewesen, er durfte nun weder weich werden noch aufgeben. Der Preis schien ihm zu hoch. Dennoch schaffte er es nicht, die aufkeimende Zärtlichkeit in sich zu unterdrücken.
    »Was ist los?«, fragte er ungewollt sanft.
    »Bist du in Kalira verliebt?«, erkundigte sich Juliane.
    Spürte Juliane denn nicht, dass er niemals jemanden lieben würde? Und wenn er eines Tages soweit wäre, er nur sie lieben konnte und wollte, wie es seit dem Anbeginn der Zeit bestimmt war? »Nein«, entgegnete er und blickte in ihre hellblauen Augen, in denen nun Erleichterung aufblitzte.
    »Gut«, erklärte sie. »Es war sehr dumm von dir, sie zu küssen. Sie und Ranon gehören zusammen.«
    Aran beugte sich ein wenig näher. Es amüsierte ihn, dass Juliane glaubte, er hätte Kalira geküsst, wo sie sich ihm förmlich angeboten hatte. »Weshalb sorgst du dich so sehr um die beiden?«
    »Sie sind meine Freunde.«
    Freunde, wann hatte er selbst je Freunde besessen? »Sie können froh sein, eine Freundin wie dich zu haben«, meinte Aran und versuchte, die zärtlichen Gefühle für sie zu unterdrücken. Empfindungen ganz anderer Art stiegen aus seinem Innersten empor. Was auch immer er zu empfinden glaubte, es war nichts weiter als ein böser Scherz. Panik wollte sich seiner bemächtigen.
    »Ich kann auch deine Freundin sein«, bot Juliane ihm arglos an. »Öffne dein Herz. Ich spüre deine Einsamkeit.« Ihr Gesicht war das süße Spiegelbild der Unschuld und Zuversicht.
    Ihre Worte verdüsterten sein Gemüt. »Ich habe kein Herz. Halte dich von mir fern. Für wen auch immer du mich hältst, du wirst dich täuschen«, behauptete er und drehte sich abrupt um.
    Er spürte ihre Überraschung, den fassungslosen Blick, der sich in seinen Rücken bohrte. Sie konnte seine vermeintliche Launenhaftigkeit nicht verstehen. Sie wusste nicht, warum er sie zurückstieß. Wenn die Götter auch nur einen Funken Mitgefühl besaßen, fand sie es auch niemals heraus.
     
    *
     
    Mit einem Stöhnen erwachte Juliane mitten in der Nacht. Der Anblick der Leiche musste die Erinnerungen an die Toten im Hof, die sie so erfolgreich verdrängt hatte, wieder aufgerüttelt haben. Nur waren die Albträume dieses Mal realer, brutaler.
    Mit erschreckender Genauigkeit erinnerte sie sich an jede Einzelheit, deren eisige Schrecken auch jetzt noch wie klebrige Spinnweben ihre Gedanken begleiteten.
    Sie stand auf einem Berg. Ein kühler Wind spielte in ihrem Haar. Am Horizont strahlte die Sonne und färbte sich von gleißendem Gelb zu sattem Orange und zu tiefstem Rot. Die Blutsonne schien größer zu werden und schließlich tropften blutige Tränen zur Erde.
    Ohne Furcht starrte Juliane in die Tiefe und erkannte unter sich das Morvannental. Im selben Moment spürte sie einen kräftigen Stoß in ihrem

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