Der Zauberspiegel
wagten sie sich in die tieferen Gebiete der morvannischen Wälder vor.
In dieser Zeit lernten sie sich näher kennen, zumindest so gut, wie er es zuließ. Er versuchte, sie so weit wie möglich auf Distanz zu halten, doch je länger sie zusammen waren, umso schwieriger wurde es für ihn. Er ging nicht auf das fröhliche Geplänkel der vier ein, doch er stellte fest, dass es ihm Spaß bereitete, ihnen zu lauschen. Er mochte Torus’ besonnene Art, Ranons Humor, Kaliras Temperament und vor allem Julianes Freundlichkeit. Aran liebte die Art, wie sie den anderen zuhörte. Ihr Lachen drang bis in sein Herz, und ihn faszinierte die Ausgelassenheit dieses Lachens. Oft saß er abseits, beobachtete Juliane und ließ die Ruhe und den Frieden, die sie in ihm hervorrief, auf sich wirken.
Aran staunte über die Geduld der vier, wenn er sie wiederholt abwies und alles, was ihn betraf, im Dunkeln ließ. Noch verblüffter war er an dem Tag, an dem er feststellte, dass sie begannen, ihm zu vertrauen.
Sie beugten sich über die Landkarte, die Torus im Gras ausgebreitet hatte. Eine Zeitlang starrten die fünf auf die Karte, dann brach Aran das Schweigen.
»Nicht besonders genau die Zeichnungen«, erklärte er und fuhr mit dem Finger eine Hügelkette entlang. »Die hier, Asleenas Hügel, sind viel zu weit im Norden eingezeichnet.« Er tippte auf einige grüne Flecken, auf denen Zelte aufgemalt waren. »Diese Lager haben die Todesreiter aufgegeben. Aber das«, sein Zeigefinger bohrte sich auf eine Diamant-Abbildung. »Dort hält man die Zauberin gefangen. Aber auch hier stimmen die Pfade nicht.« Aran fühlte Julianes bohrende Blicke und sah sie an. »Ihr Weißen könnt nur in begrenztem Maß im Tal umherlaufen. Ein mächtiger Zauber verhindert das und so müsst ihr euch an einige wenige Pfade halten.«
»Wenn es für uns so kompliziert ist, was haben die Todesreiter dann hier verloren?«
»Die wilde Magie der Morvannen ist um ein Vielfaches stärker als die Zauberkräfte der Weißen. Kloob nutzt das aus, und hält Moira in diesem Tal gefangen. Sie kann sich allein nicht befreien«, mischte sich Ranon ein.
»Exakt«, stimmte Aran zu. »Das bringt allerdings einen Nachteil für uns. Ich könnte mich quer durch die Wildnis schlagen. Doch ihr müsst größtenteils auf den Wegen bleiben, die auch die Todesreiter benutzen.« Er nahm Furcht wahr und auch ohne die besondere Bindung zwischen ihm und Juliane wusste er, dass es ihre Angst war, als er sie ansah. Für Aran machte es keinen Sinn, die Dinge zu beschönigen, und so sagte er an Juliane gewandt: »Der Weg, den wir die nächsten Tage nehmen müssen, ist der einzige, der zu eurer Zauberin führt. Ich würde nicht darauf wetten, den Todesreitern ständig ausweichen zu können.«
Der Schock, der sich auf Julianes Miene abzeichnete, ließ ihn fast bedauern, so unverblümt gesprochen zu haben.
Juliane lenkte ihr Pferd neben seines. »Aran, ich weiß, du redest nicht darüber, aber ich bin wirklich neugierig. Wer sind deine Eltern?« Erwartungsvoll blickte sie ihn an.
»Warum kümmerst du dich nicht um deine eigenen Belange, statt mich ständig mit deinen Fragen zu belästigen?« Er trieb sein Pferd an und ließ sie stehen.
Das Gebiet, das sie durchritten, wirkte wie ein grüner Tunnel. Erst als er genau hinsah, erkannte er, dass die Todesreiter versucht hatten, den Weg zu verbreitern. Stirnrunzelnd zügelte er sein Pferd wieder und wartete, bis Torus neben ihm ritt. »Torus, wir sollten wieder tiefer in den Wald zurückkehren, bevor uns die Schwarzen entdecken.« Beunruhigt blickte Aran sich um. Er mied diese Wege für gewöhnlich, doch mit seinen Begleitern schien es oftmals sicherer, nicht durch die magisch geschützte Wildnis des Tales zu reiten. Sie hatten viel Zeit damit vergeuden müssen, immer wieder ins Unterholz zu flüchten und dort zu warten, bis vorüberziehende Patrouillen außer Sichtweite waren.
Torus nickte und wendete sein Pferd Richtung Unterholz.
Eine eisige Stimme ließ Aran erstarren.
»Ich fürchte, ich muss euch aufhalten«, sagte Iorgen. Seine rechte Hand ruhte wie zufällig auf dem Schwertgriff, während er mit der linken seinen Fußsoldaten einen Wink gab. Im Nu waren sie von Kriegern umringt. Er überblickte die Lage sofort. Fünfzehn Todesreiter, kein Problem. Mit fünf von ihnen wurde er allein fertig. Allein zwei wären tot, noch ehe sie ihre Schwerter gezogen hatten.
Einzig, dass ausgerechnet Iorgen, sein ehemaliger Mentor, seinen Weg kreuzte,
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