Der Zauberspiegel
wird hinter uns hertrotten und Kloob mit Wattebällchen bewerfen, bis er weint.« Was für eine grandiose Scheiße!
»Der Krieg begann vor zehn Sommern. Jetzt findet er ein Ende«, versuchte Moira, beruhigend auf sie einzuwirken. Doch sie verkraftete in diesem Moment alles, nur keinen Trost, keine Beschwichtigung.
»Scheiße«, stieß sie hervor, und weil es sich gut anfühlte, wiederholte sie es noch einmal lauter: »Scheiße! Verfickte Scheiße! Ihr glaubt den Mist, den ihr da verzapft doch nicht etwa? Kloob wird mit Freuden seine Soldaten auf uns hetzen!« Angst hämmerte in ihrem Schädel, zog sich um ihre Kehle und machte es ihr schwer zu atmen.
Staubwolke nahm ihre Gefühlsaufwallung wahr und wieherte unruhig. Als er mit den Füßen scharrte, stieg Juliane ab. Sie lief auf und ab. Die Bewegung half ihr, die Erregung und Angst zu ertragen.
Plötzlich stand Aran vor ihr. Sie sahen sich an und für einen Moment hielt für sie die Welt den Atem an. Sein Blick nahm sie gefangen und Aran schien all ihre Emotionen aufzusaugen. Er breitete seine Arme aus. Ein leichtes Nicken und sie fand sich in seiner Umarmung wieder. Seine Wärme umfing sie, tröstete und beruhigte sie. Juliane presste ihr Gesicht in sein Hemd, inhalierte seinen Duft und seine Zuwendung. Er hielt sie, bis ihr Zittern nachließ.
Juliane löste sich aus seiner Umarmung. Verlegen strich sie ihre Haare zurück und schenkte Aran ein nervöses Lächeln. Langsam drehte er sich um und ging zu seinem Pferd. Kalira, Ranon und Moira hatten sich geflissentlich abgewendet, und als Juliane wieder im Sattel saß, kam Kalira näher und griff nach ihrer Hand.
»Es ist der einzige Weg«, sagte sie, es klang wie eine Entschuldigung.
Juliane wusste, dass Kalira recht hatte, doch sie bezweifelte, dass es friedlich enden würde. Sie sah das Ende durch einen Krieg voraus. Mit Kampf und Blutvergießen.
Juliane schreckte aus ihren Gedanken auf und stellte überrascht fest, dass sie stundenlang in ihren Überlegungen verharrt hatte.
Ranon trat zu ihr und fasste nach Staubwolkes Zügeln. »Willst du die Nacht auf dem Pferd verbringen?«, fragte er lächelnd.
Juliane gab das Lächeln zurück und schwang sich vom Pferderücken. »Ich glaube, das wäre weder für mich noch für Staubwolke besonders bequem, nicht wahr?« Sie führte ihren Schimmel zu den anderen Pferden, ehe sie ihm Sattel und Zaumzeug abnahm.
Nach ein paar Bissen gepökelten Fleisches und trockenen Brotes legte sie sich zum Schlafen nieder. Unter dem leisen Gemurmel Kaliras und Ranons und dem Knistern des Lagerfeuers schlief sie ein.
Sie fand sich inmitten der goryydonischen Landschaft wieder. Am blauen Himmel lachte die Sonne, Vögel zwitscherten und der Geruch frischen Heus lag in der Luft. Einen Moment streckte Juliane ihr Gesicht der Sonne entgegen und genoss die warmen Strahlen auf der Haut. Erst dann wandte sie den Kopf und blickte auf die Bäume und Sträucher, die ihren Weg säumten. Mit einem Mal fühlte sie sich frei und glücklich und voll freudiger Erwartung. Ihr Herz schlug vor Freude wie wild, obwohl sie noch nicht wusste, weshalb.
Vor ihr erschien eine Gestalt. Noch war sie zu weit entfernt, doch instinktiv wusste sie, dass es ein Mann war.
Die letzten Meter beherrschte sie sich nicht länger und rannte ihm entgegen. In seiner Umarmung empfand Juliane Glück und Geborgenheit. »Ich habe dich so vermisst«, flüsterte sie und drängte sich näher an ihn.
Seine Bartstoppeln kratzten an ihrer Wange, sie spürte die Muskeln unter seinem Hemd und sah das goldbraune Brusthaar, das aus dem Ausschnitt seines Hemdes hervorlugte. Juliane sah auf und blickte in ein fremdes Gesicht. Seine Nase war einmal gebrochen und danach schief zusammengewachsen. Ihr Blick wanderte zu seinen Augen und sie erkannte in den braunen Tiefen Arans Seele. Seine Finger liebkosten den Zopf, zu dem ihr Haar geflochten war. Ohne Überraschung stellte sie fest, dass ihr Haar weißblond mit einem silbrigen Schimmer wie das Mondlicht war.
»Zadieyek«, wisperte Aran mit rauer Stimme. »Schau dich um. Alle sind da.«
Widerwillig wandte Juliane ihren Blick von ihm ab. Sie sah sich plötzlich von vielen Menschen umringt, die sie nicht kannte, bei denen sie sich aber geborgen und geliebt fühlte.
Ein gewaltiger Schatten fiel auf die Versammlung. Juliane blickte nach oben und entdeckte einen Drachen. Seine Schwingen rauschten im Wind. Sein Körper war mit grauen Schuppen bedeckt, die Schwanzspitze und die Kopfschuppen
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