Der Zauberspiegel
Lippen fest aufeinander, sodass sie sich anfühlten wie platt gedrückt.
Er musterte sie fragend. Juliane schüttelte den Kopf.
»Nichts, es … es ist nicht so wichtig.«
Aran schob sie zärtlich von sich und sie legten sich zum Schlafen nieder. Doch sie brauchte eine ganze Weile, bevor sie Ruhe fand, weil sie sich im Stillen darüber ärgerte, nicht den Mut gehabt zu haben, Aran ihre Liebe zu gestehen.
*
Die Tage zogen an ihnen vorbei, bis sie nur wenige Stunden von ihrem Ziel entfernt waren. Je näher sie dem Rebellenlager kamen, umso nachdenklicher wurde Aran. Er hatte all die Zeit seit dem Tod seiner Familie erfolgreich damit verbracht, sich gegenüber allen anderen Menschen zu verschließen und gleichgültig zu werden. Nun hatte er beschlossen, sich einer Gruppe anzuschließen, und er war nicht sicher, dass er sich anpassen konnte, ganz zu schweigen davon, ob sie ihn akzeptierten. Er hatte zu lange in der Gesellschaft rassistischer Soldaten und in der Einsamkeit verbracht, um zu wissen, wie andere Menschen auf ihn reagierten. Innerlich stöhnte er auf. Warum hatte er nicht besser darüber nachgedacht? Seine Seelenverwandtschaft zu Juliane hatte ihn blind gemacht. Wie ein junger Tor hatte er sich in dieses Abenteuer gestürzt, ohne die Folgen zu bedenken. Vermutlich war es am besten für ihn, die Rebellen wieder zu verlassen, nachdem er sie zur Burg begleitet und dort die Mörder seiner Eltern, den einarmigen Todesreiter und die beiden anderen, gefunden und gerichtet hatte.
Aran warf einen Blick auf Juliane und sein Herz zog sich vor schmerzhaftem Sehnen zusammen. Sein Entschluss würde auch für sie alles vereinfachen. Sie hatten nie ausgesprochen, was sie füreinander empfanden. Er überlegte, wie lange es ihm noch gelang, seine starken Gefühle für sie zu verheimlichen. Es kostete ihn zunehmend Mühe, seine Gedanken vor ihr zu verbergen. Wenn er erst einmal seine geistige Barriere fallen ließ, konnte er ihr nicht mehr den Desinteressierten vorspielen.
Doch noch würde es ein Leichtes für ihn sein, ihr vorzugaukeln, er hätte sie nur benutzt. Damit konnte er sich und Juliane freimachen. Es wäre besser für sie beide, wenn er fortging. Juliane könnte in ihre Welt zurückkehren oder einen angemessenen Mann unter den Edlen Goryydons auswählen. Schließlich war er kaum der richtige Verbundene für die Auserwählte. Er, der Sohn eines Bauern und einer Morvannin.
Trauer durchbohrte ihn bereits jetzt und verschleierte seinen Blick, als er das Pferd antrieb.
*
Juliane litt Liebeskummer. Seit sie Aran in die Augen geblickt hatte, wusste sie, dass er der Einzige war, dem sie jemals ihre uneingeschränkte Liebe schenken konnte. In seiner Gegenwart fühlte sie sich vollkommen, friedlich und glücklich, wie es ihr bisher völlig unbekannt gewesen war. Sie dachte an die ersten Wochen mit ihm, wie kühl und zurückhaltend er sich ihr und den anderen gegenüber verhalten hatte. Und wie er sich langsam öffnete und mehr von sich preisgab. Ein angenehmes Kribbeln erfüllte sie, als sie sich an die zärtlichen Berührungen durch Aran erinnerte. An seine Blicke, die er ihr zuwarf.
Juliane starrte auf seinen breiten Rücken, während sie überlegte, wie sie ihm ihre Liebe gestehen sollte. Sie wollte, dass er wusste, was sie für ihn empfand, und sie wollte Gewissheit über seine Gefühle ihr gegenüber. Er sollte ihr sagen, ob er sie ebenfalls liebte. Sie begehrte ihn mit einer Inbrunst, dass es schmerzte. Obwohl sie nicht mehr über ihn wusste, als dass seine Eltern Bauern gewesen waren, die Todesreiter ermordet hatten. Sein Racheschwur und die Taten als Phantom im Morvannental taten ihrer Liebe keinen Abbruch. Sie sah sein Herz, seine Seele und wusste, dass beides gut war.
Juliane seufzte. Egal, was er getan hatte, sie würde ihn immer lieben.
Selten, so wie jetzt, dachte sie an ihre Heimat. Würde sie dorthin zurückkehren? Gab es einen Weg, der sie zurückbrachte? Auch ohne den Zauberspiegel? Und wollte sie das überhaupt?
Sie warf Kalira und Ranon einen Blick zu. Hinter sich hörte sie Moiras Pferd traben. Das hier war ihre Familie, ihre Heimat. An keinen anderen Ort des Universums gehörte sie. Ihr Herz war hier, bei diesen Menschen und nichts wünschte sie sich sehnlicher, als bei ihnen zu bleiben.
Ein eisiger Wind streifte Juliane und ließ sie schlottern. Sie zog ihr Wams fester um ihren Oberkörper und hoffte, die letzte Etappe des Weges bald hinter sich zu bringen. Sie freute sich
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