Der Zauberspiegel
Besitz. In Zadieyeks Zeit fiel auch ein grauenvoller Krieg zwischen Khkira und Goryydon. Es entbrannte ein solch fürchterlicher Kampf, dass noch heute nur im Flüsterton davon erzählt wird. Denkbar schlechte Voraussetzungen für freundschaftliche Beziehungen. Die Wunden sind immer noch spürbar«, führte Kalira aus und sah Juliane ungeduldig an. Sie nickte und Kalira kam zu ihrer eigentlichen Geschichte. »Meine Mutter gestand mir, gelogen zu haben. Sie ist keine Geringere als die Erbin der Amazonenkrone Khkiras. Mein Vater und sie verliebten sich bei Friedensverhandlungen. Meine Großmutter hielt nichts von derartigen Verbindungen zwischen Goryydon und Khkira und verstieß meine Mutter.« Kaliras Wangen hatten sich gerötet.
»Ihr hättet nach Khkira fliehen und dort ein Leben in Luxus führen können«, erwiderte Juliane.
Kalira machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wohl kaum, die Khkirani bewachen ihre Grenzen zu Goryydon. Und offiziell ist meine Mutter nicht nur verstoßen worden, sondern sogar tot. Nein, Khkira war und ist keine Option für uns«, wies sie den Gedanken von sich. Kalira bemerkte das Nachthemd und erhob sich. »Du wolltest dich zur Ruhe begeben. Verzeih mir, ich werde jetzt gehen.«
Juliane schüttelte den Kopf, konnte sich aber ein Gähnen, das sie schon die ganze Zeit unterdrückte, nicht mehr verkneifen.
Kurze Zeit später schlüpfte sie aus ihren Kleidern. Sie legte Hemd und Hosen sorgfältig auf der Kommode ab und streifte sich das Nachtgewand über. Der Stoff kratzte auf ihrer Haut und die Kälte des Felsbodens wanderte unangenehm kribbelnd ihre Füße hinauf.
Juliane hüpfte eilig unter die Bettdecke und versuchte, auf der harten Strohmatratze eine bequeme Lage zu finden. Sie fühlte sich hier, mit den wenigen Besitztümern, die sie ihr Eigen nannte, wohler, als sie es in ihrer alten Welt je getan hatte.
Alles in allem war sie froh, endlich wieder Zuhause zu sein. Bei diesem Gedanken stutzte sie. Ihre Heimat war doch bei ihren Eltern und ihren Schwestern …
»Aber dort habe ich mich nie als Teil der Familie oder auch nur als Teil der Welt gefühlt. Nicht so wie hier«, flüsterte sie, um sich auch selbst davon zu überzeugen.
Sie kuschelte sich unter die Decke. Ihr Zuhause befand sich in Goryydon, bei ihren Freunden. Über diesen Gedanken und dem beständigen Plätschern eines Rinnsals auf Felsgestein an ihrem Ohr, schlief sie erschöpft, aber glücklich ein.
Eine sachte Berührung an ihrer Schulter weckte Juliane. Innerhalb von Sekundenbruchteilen war sie hellwach und tastete nach einer Waffe.
»Ich bin es nur«, flüsterte eine leise Stimme. »Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.«
Was für eine unnötige Ausrede. Sie fühlte Arans Atem über ihr Gesicht streichen und öffnete überrascht die Augen.
Arans Lippen schwebten nur wenige Zentimeter über den ihren. Juliane glaubte, er würde sie küssen, doch dann war der Augenblick vorbei. Er richtete sich auf, entzündete eine Kerze und setzte sich wieder.
Seine Augen glänzten. Kurz war sie versucht, nach einer Strähne seines schwarzen Haars zu greifen, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich so seidig anfühlte , wie es aussah. Sie setzte sich auf und fuhr sich verschlafen über das Gesicht. »Ist etwas passiert?«
Aran schüttelte den Kopf und musterte sie mit sanfter Miene. Er ergriff ihre Hand und streichelte mit seinem Daumen zärtlich über ihre Finger. Ein Kribbeln glitt über ihre Haut. »Ich wollte mit jemandem reden.« Kurz leuchtete in seinen Augen Schmerz auf, dann wirkte er wieder ruhig, aber auch ein wenig traurig.
»Du fürchtest noch immer, dass sie dich verachten könnten.« Sie hob ihre Hand, strich sein Haar aus dem Gesicht und streichelte seine Wange. »Gib ihnen eine Möglichkeit, dich vom Gegenteil zu überzeugen. Was hat man dir nur angetan, dass du solche Furcht in dir trägst?«
Aran zuckte kaum merklich zusammen, als sie ihm wohl den Grund für seine Unsicherheit auf den Kopf zusagte. »Es ist keine Schande, Angst zu haben«, bekräftigte sie. Sie blickte in seine Augen und spürte zum ersten Mal seit Längerem das machtvolle Summen der silbernen Schnur. Sie zitterte unter den wohligen Schaudern, die ihr den Rücken hinunterrieselten.
Aran neigte sich vor und sie umarmten sich. Für einen kurzen Moment streiften seine Lippen die ihren. Ohne dass sie es verhindern konnte, begannen ihr die Tränen hinunterzulaufen.
»Warum weinst du?«, flüsterte Aran.
»Weil ich so
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