Der Zauberstein von Brisingamen
wurde mit jeder Sekunde größer und landete schließlich unter heftigem Flügelschlagen auf Fenodyrees ausgestrecktem Arm – ein herrlicher Falke, wild und stolz, dessen blanke Augen die Kinder anfunkelten.
«Merkwürdige Gesellschaft für Zwerge, ich weiß», sagte Fenodyree, «aber sie sind Opfer der Morthsippe geworden und somit älter als nach Jahren. Von Grimnir wollen wir Neues erfahren. Er kam hier vorbei. Ist er zum See gegangen?»
Der Turmfalke wandte seinen Blick zu Fenodyree und ließ eine Reihe scharfer Schreie hören, die dem Zwerg offensichtlich mehr sagten als den Kindern.
«Ja, es ist, wie ich gedacht hatte», sagte er, als der Vogel schwieg. «Vor einer Weile überquerte ein Nebel die Ebene, schnell wie ein galoppierendes Pferd, und versank dann in Llyndhu. Nun gut, so sei es. Nun muss ich wieder zu Cadellin, denn wir werden viel zu besprechen und zu planen haben. Lebt wohl, meine Freunde. Dort droben ist die Straße: Geht dort entlang. Denkt an uns, auch wenn Cadellin es euch verboten hat, und wünscht uns Glück.»
«Auf Wiedersehen.»
Colin und Susan waren zu ergriffen, um viel sagen zu können, das Sprechen fiel ihnen schwer, denn ihre Kehlen waren zugeschnürt und vor Schmerz ausgetrocknet. Sie wussten, dass Cadellin und Fenodyree in ihrem Bestreben sie loszuwerden nicht absichtlich unfreundlich waren; aber das Gefühl verantwortlich zu sein für das, was geschehen war, war ihnen schier unerträglich.
So wandten sich die Kinder schweren Herzens der Straße zu.
Sie sprachen weder noch sahen sie zurück, bis sie sie erreicht hatten. Fenodyree, der breitbeinig mit dem Falken auf seinem Arm auf der Bank stand, hob sich deutlich gegen den klaren Himmel ab. Er hob seine Hand zum Gruß, und seine Stimme hallte durch die ruhige Luft zu ihnen herüber.
«Lebt wohl, meine Freunde!»
Sie winkten zurück, fanden aber keine Worte.
Er stand noch einen Augenblick lang da, dann sprang er herunter und verschwand auf dem Pfad nach Fundindelve.
Den Kindern war es, als würde sich ihnen ein Schleier über die Augen legen.
Zweiter Teil
Achtes Kapitel
Nebel über Llyndhu
Es wurde Herbst, und im September begann für Colin und Susan die Schule. Außerhalb der Schulstunden waren sie mit Arbeiten auf dem Hof beschäftigt, und so geschah es nicht oft, dass sie den Edge besuchten. Am Wochenende konnten sie zuweilen dorthin gehen, aber dann waren die Wälder von Leuten aus der Stadt bevölkert, die herumschrien, durch das Unterholz trampelten, den Boden mit weggeworfenen Butterbrotpapieren und leeren Flaschen bedeckten und so die Stimmung der Gegend vollständig zerstörten. Einmal stießen Colin und Susan sogar auf eine Familie, die sich vor dem eisernen Tor breit gemacht hatte. Der Vater, an den Fels gelehnt, mühte sich mit einem Gesicht, das röter war als seine Hosenträger, mit seiner Stimme das Geplärr eines Kofferradios zu übertönen, um seine Kinder zum Tee zu rufen. Die spielten im Teufelsgrab Soldaten.
Nichts blieb. Dieser Ort, an dem Schönheit und Entsetzen gleichermaßen zu Hause gewesen waren, war jetzt ein lärmender Spielplatz. Der ihm innewohnende Geist war tot –
oder verborgen. Nichts wies darauf hin, dass die Svarts oder der Zauberer je existiert hätten, nichts außer einer Scheune voller Eulen in Highmost Redmanhey und einem nackten Handgelenk, das einmal ein Armband geschmückt hatte.
Der Verlust des Armbands hatte eine leichte Verstimmung zwischen den Mossocks und den Kindern verursacht. Bess fiel zuerst auf, dass der Stein verschwunden war, und Susan, die nicht wusste, was sie sonst tun sollte, platzte mit der ganzen Geschichte heraus. Das war nun wirklich mehr, als irgendjemand auf einmal verdauen konnte, und Bess wusste nicht, was sie davon halten sollte. Natürlich regte sie sich über den Verlust des Brautsteins auf, aber was ihr mehr Sorgen machte, war die Tatsache, dass Susan offensichtlich die Konsequenzen so sehr scheute, dass sie einen solch verzweifelten Haufen Unsinn erfand, um sich rein zu waschen.
Gowther auf der anderen Seite war sich ganz und gar nicht so sicher, dass dies alles ihrer Fantasie entsprungen war. Er behielt seine Gedanken für sich, aber die Geschichte passte zu gut zu seinem eigenen Erlebnis in der Scheune, als dass er sich hätte beruhigen können. Jedoch ging die Missstimmung vorüber, und niemand sprach mehr von der Sache, obgleich das nicht hieß, sie war vergessen.
Kurz vor Weihnachten entdeckte Colin, dass die Eulen die Scheune verlassen
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