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Der zehnte Richter

Der zehnte Richter

Titel: Der zehnte Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brad Meltzer
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einfach nicht mehr aus.« Ben stand im Büro und starrte in den Spiegel des Gardenrobenschranks, während er über den tiefen Schnitt tastete, den er sich beim Rasieren zugezogen hatte. »Warum hat er noch nicht angerufen?«
    »Es ist doch erst eine Woche vergangen«, sagte Lisa.
    »Die längste Woche meines Lebens«, sagte Ben. Die Schnittwunde begann wieder zu bluten. »Ich hätte erwartet, daß er uns allmählich sagt, was er will.«
    »Vielleicht versucht er bloß, dich zu zermürben.«
    »Das versucht er mit Sicherheit. Und je länger er wartet, desto nervöser werde ich.«
    »Daß Rick nicht angerufen hat, wundert mich nicht - ich staune darüber, daß du nichts von DeRosa gehört hast.«
    »Laß mich bloß damit in Frieden. Der Kerl verspricht mir, mich auf dem laufenden zu halten, und dann schickt er keine einzige Nachricht. So wie es aussieht, überwachen mich die Marshals vielleicht gar nicht.«
    »Fühlst du dich denn nicht beobachtet?«
    »Überhaupt nicht. Und das bedeutet, daß sie entweder unglaublich gut sind oder mich belogen haben.«
    »Du mußt allmählich los.« Lisa sah auf die Uhr. »Sonst verpaßt du noch deine erste Einladung zum Lunch.«
    »Ein Glück für ihn, daß ich überhaupt hingehe.«
    »Ach, komm«, sagte Lisa, »schließlich wirst du gleich mit dem Obersten Richter der Vereinigten Staaten zu Mittag essen. Tu bloß nicht so, als ob du nicht aufgeregt wärst.«
    »Ja, du hast recht«, erwiderte Ben. »Ich bin sehr aufgeregt. Wer würde es denn nicht genießen, eine Stunde lang intellektuell zerlegt zu werden?«
    »Jetzt vergiß mal, was seine Assistenten von ihm sagen. Deren Rückgrat ist so schwach, daß sie kaum aufrecht stehen können.«
    »Nun muß ich dir sagen, daß ich dagegen sehr aufrecht stehe«, verkündete Ben stolz und wölbte die Brust. »Super-aufrecht.«
    »Du bist eine einzige Erektion«, bestätigte Lisa, während Ben zur Tür ging. Als sein Telefon läutete, blieb er stehen und sah Lisa an. »Laß es doch läuten«, sagte sie. »Genieß dein Mittagessen.« Als sie sah, daß er sich umdrehte und aufs Telefon zuging, fügte sie hinzu: »Ganz ruhig. Er ist es doch nicht.«
    »Hallo, hier ist das Amtszimmer von Richter Hollis«, meldete sich Ben.
    »Tag, Ben«, sagte Rick. »Wie steht's im Großen Haus?«
    Ben schloß die Augen. »Sag mir, was du willst.«
    »Was ich will?« fragte Rick. »Wer sagt denn, daß ich überhaupt was will? Ich rufe bloß an, um mal wieder guten Tag zu sagen.«
    »Komm schon, Rick, ich hab' wirklich keine Zeit für so was. Worum geht es diesmal?« »Was ist denn los? Du klingst gar nicht so selbstbewußt wie bei unserer letzten Unterhaltung.«
    »Mir geht's gut«, sagte Ben mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Ich nehme an, daß ihr meine Briefe bekommen habt?«
    »Ja, wir haben die verdammten Briefe bekommen. Also, was willst du?«
    »Dann also zum Geschäftlichen.« Rick räusperte sich. »Ich brauche das Urteil zu American Steel, und zwar noch heute Abend.«
    »Aber es wird schon am Montag verkündet«, sagte Ben in panischer Angst.
    »Ich weiß, wann es verkündet wird. Und ich wünsche, daß du es mir persönlich übergibst.«
    »Darüber muß ich nachdenken«, sagte Ben.
    »Du hast eine halbe Stunde.«
    »Ich bin in einer halben Stunde gar nicht hier. Ich bin mit Osterman beim Mittagessen.«
    »Dann rufe ich dich Punkt zwei Uhr wieder an«, sagte Rick. »Dann will ich eine Antwort. Nach meiner letzten Post ist dir bestimmt klar, was die Konsequenzen sind.«
    »Moment mal«, sagte Ben. »Was ist mit -«
    »Sonst gibt es nichts mehr zu besprechen«, unterbrach Rick ihn. »Wiederhören.«
    »Was hat er gesagt?« fragte Lisa, als Ben aufgelegt hatte.
    »Ich muß los.« Ben sah auf seine Armbanduhr. »Osterman wartet schon auf mich.« »Sag doch, was passiert ist«, drängte Lisa ihn.
    Ohne auf sie zu achten, verließ Ben das Büro und lief die Treppe zu Ostermans im Erdgeschoß gelegenen Büro hinunter.
    »Sie haben sich um zwei Minuten verspätet«, stellte die Sekretärin fest. »Machen Sie sich darauf gefaßt, daß er's erwähnt.«
    »Toll.« Ben betrat Ostermans Büro, das größte des Gerichtshofs. Jenseits eines Meers aus burgunderrotem Teppichboden saß Osterman an seinem Tisch, einer perfekten Replik des von John Jay, dem ersten Vorsitzenden, benutzten Möbelstücks. Auf dem Tisch standen in einem reich verzierten Goldrahmen die Worte, die Oliver Wendell Holmes 1913 über das Gericht gesagt hatte: »Wir haben es ganz ruhig hier, aber es

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