Der zehnte Richter
Lisa warf das Kissen beiseite. »Wenn du DeRosa erreichst, gut. Aber wenn er zur anderen Seite übergelaufen ist, gehst du zur Presse. Auf jeden Fall bist du bis Sonntag aus der Sache heraus.«
»Toll«, sagte Ben sarkastisch. »Jetzt muß ich mir bloß noch ausdenken, was ich meinen Freunden erzähle.«
»Eric, ich bin's.« Ben saß noch immer auf dem Bett seines Motelzimmers.
»Wo bist du überhaupt?« fragte Eric. »Nathan sagte -«
»Ich bin bei Lisa«, log Ben. »Ich hab' mich nicht mehr wohl gefühlt bei dem Gedanken, noch was bei uns zu Hause zu sagen.«
»Kommst du heute noch zurück?«
»Nein. Ich schlafe hier.«
»Das ist wahrscheinlich keine schlechte Idee«, sagte Eric. »Und jetzt erzähl mir mal, was los ist. Ich hab' gehört, Rick hat wieder angerufen.«
»Vergiß jetzt mal Rick. Ich will mich mit euch treffen, um über die ganze Geschichte zu reden.« »Sag mir den Treffpunkt. Ich komme.«
»Ich will euch alle da haben«, sagte Ben. »Dich, Nathan und Ober.«
»Schön. Wo und wann?«
»Morgen Abend um acht. Wir treffen uns an dem Ort, an dem wir unseren ersten Abend in Washington gefeiert haben.«
»Also am -«
»Sag's nicht«, unterbrach Ben ihn. »Das Telefon ist nicht sicher.«
»Stimmt. Ober hat's mir schon gesagt.«
»Genau. Wie geht es ihm?«
»Er ist total durcheinander. So hab' ich ihn noch nie erlebt. Nathan und ich haben fast zwei Stunden mit ihm geredet, und er heult sich noch immer die Seele aus dem Leib.«
»Hat er seinen Eltern schon was gesagt?«
»Er hat furchtbare Angst davor, sie anzurufen. Du kennst ja seine Mutter. Sobald sie hört, was passiert ist, sitzt sie ihm im Nacken.«
»Ich weiß. Darüber hab' ich auch schon nachgedacht. Ehrlich gesagt, ich glaube, davor hat er am meisten Angst.«
»Ich glaube eigentlich nicht, daß er vor irgend etwas wirklich Angst hat«, erwiderte Eric. »Ich bin noch nicht mal sicher, ob er wegen seines Jobs so fertig ist. Am meisten scheint ihn zu bedrücken, daß wir vier nicht mehr miteinander auskommen.«
»Das hat er mir auch schon gesagt.«
»Das liegt einfach daran, daß er so ein Gruppenmensch ist«, erklärte Eric. »Er ist wie ein Baby. Wenn alle glücklich und zufrieden sind, ist er es auch. Aber wenn alle traurig sind, geht es ihm miserabel.«
»Sprich weiter mit ihm. Ich bin sicher, daß er es übersteht.«
»Das glaube ich auch. Es ist bloß, daß -«
»Ben, bist du das?« erklang Nathans wütende Stimme im Telefonhörer. »Wo bist du die letzten drei Stunden gewesen, verdammt noch mal? Komm sofort -«
»Sag mir bloß nicht, was ich tun soll«, fuhr Ben ihn an. »Wenn du ausfällig werden willst, kannst du mich morgen treffen. Eric weiß, wo.« Ben legte auf.
Am frühen Samstagmorgen setzte sich Ben im Bett auf. Er konnte nicht mehr schlafen. Auf dem zweiten Bett lag Lisa, die keine derartigen Probleme hatte. Ben sah auf seine Uhr und stellte fest, daß es erst sieben war. Nachdem er so lange unter der Dusche gestanden hatte wie noch nie in seinem Leben, schaltete er den Fernseher ein, stellte den Ton ab und hoffte, daß ihn die Zeichentrickfilme ablenken würden. Als das nicht funktionierte, schaltete er wieder aus, um sich erneut ins Bett zu legen. Eine geschlagene Stunde lang starrte Ben an die weiße Stuckdecke.
Um neun Uhr nahm er das Telefon mit ins Bad. Er setzte sich auf den Toilettendeckel, rief die Auskunft an und ließ sich die Nummer des Marshals Service geben. Als er erneut gewählt hatte, fragte er nach Direktor DeRosa.
Nach wenigen Sekunden meldete sich eine Frauenstimme. »Büro Direktor DeRosa. Was kann ich für Sie tun?«
»Ist der Direktor heute im Büro?« fragte Ben in seinem liebenswürdigsten Tonfall.
»Leider nicht. Kann ich Ihnen vielleicht weiterhelfen?«
»Ich glaube schon.« Ben erkannte die Stimme von DeRosas Empfangsdame. »Mein Name ist Ben Addison. Vor ein paar Wochen habe ich persönlich eine Nachricht von Richter Hollis bei Ihnen abgeliefert. Jetzt soll ich eine weitere Nachricht überbringen, und deshalb wäre es schön, wenn ich von Ihnen erfahren könnte, wie ich Direktor DeRosa erreichen kann.« Ben machte eine effektvolle Pause. »Es ist dringend.«
»Warten Sie einen Augenblick«, sagte die Empfangsdame. »Ich kann versuchen, Sie zu seiner Privatnummer durchzustellen.«
Ben betete, daß DeRosa alles erklären würde: Daß die Telefonnummer falsch geschrieben worden und daß alles noch in bester Ordnung war.
»Mr. Addison?«
»Ja, bitte?« sagte Ben.
»Es tut mir
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