Der zehnte Richter
wenn wir Ihnen glauben, gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß der Rest der Welt dasselbe tut. Unser Freund beim Herald hat erzählt, die Redaktion hätte von jedem größeren Blatt Anrufe wegen Erics Story erhalten. Es war ihnen gar nicht klar, in was sie sich da hineinmanövriert haben, als sie den Scheißartikel brachten.«
»Warum verlangen Sie keine Richtigstellung?« fragte Ben.
»Das haben wir heute morgen als erstes getan«, sagte Lungen. »Da der Artikel die Möglichkeit einer undichten Stelle aber nur andeutet, kann es der Zeitung ziemlich egal sein, was wir wollen.«
»Glauben Sie, daß andere Blätter die Sache aufgreifen werden?«
»Jetzt begreifen Sie endlich, was uns Sorgen macht«, sagte Lungen. »Soweit wir gehört haben, lassen die Presseleute so lange die Finger von der Sache, wie sie keinen Informanten haben. Nun muß es sich ja nicht um einen bedeutenden Informanten handeln. Es könnte ein Hausmeister sein, eine Sekretärin, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, irgend jemand. Sobald sie aber jemanden gefunden haben, werden sie den in der Luft zerreißen. Um ehrlich zu sein, es ist zwar durchaus möglich, daß sie den Informanten nie finden werden. Aber man kann ja nie wissen. Vielleicht ärgert sich eine Bedienung in der Cafeteria über ihr zu enges Haarnetz, und schon kommt sie in die Abendnachrichten, um der Welt zu erzählen, daß sie gehört hat, wie jemand mit jemand anderem gesprochen hat. In den nächsten paar Wochen wird in der Presse vielleicht nicht viel zu lesen sein, aber ich garantiere Ihnen, daß jeder Journalist der Stadt hier in der Hoffnung herumschnüffeln wird, die Sache zum Platzen bringen zu können. Und an Ihrer Stelle würde mir das Sorgen machen, denn dank Ihres Mitbewohners sind Sie das dankbarste Opfer in diesem Desaster.«
»Vielen Dank«, sagte Ben gequält, bemüht, seine Nervosität zu unterdrücken. »Kann ich jetzt gehen?«
»Das meine ich ernst.«
»Das ist mir klar.« Ben ging auf die Tür zu.
»Noch etwas, bevor Sie gehen«, sagte Fisk. »Wenn Sie Eric wegen seines Artikels zur Rede stellen sollten, würde ich mich freuen, wenn Sie morgen früh noch mal hier herunterkommen, falls sich was Neues ergeben hat.«
»Mal sehen.« Ben wich ihm aus und drückte sich aus der Tür.
Als Ben das Zimmer verlassen hatte, sah Lungen Fisk prüfend an. »Na, was denkst du?«
»Du kennst ja meine Meinung«, erwiderte Fisk. »Ich kann diese Typen auf den Tod nicht ausstehen. Die glauben alle, bloß weil man sie für den Obersten Gerichtshof ausgewählt hat, stinkt ihre Scheiße nicht mehr.«
»Das ist ja ungemein hilfreich«, kommentierte Lungen. »Und was hältst du nun von Ben?«
»Es war, wie ich's erwartet hatte. Er ist offenbar ein heller Knabe, und ich meine, er hat die Sache ganz plau sibel erklärt. Er ist nicht so dumm, daß er diesem Eric beim Verfassen des Artikels geholfen hätte, aber das heißt noch lange nicht, daß Eric sich alles aus den Fingern gesogen hat. Warum? Was war dein Eindruck?«
»Ich weiß nicht. Ich hätte mir gewünscht, daß er ein bißchen nervöser wird.«
»Er war tatsächlich ziemlich beherrscht«, stimmte Fisk zu. »Also sagt er entweder die Wahrheit, oder er ist einer der besten Schauspieler, die ich je gesehen habe.«
»Ich glaube wirklich, daß der Artikel ihn genauso überrascht hat wie uns. Außerdem hat unser Freund beim Herald 'ja erzählt, sie hätten Eric wegen seiner Quelle wirklich in die Mangel genommen. Der Kerl hat noch nicht mal andeutungsweise einen Namen genannt.«
Fisk schwieg eine Zeitlang. »Ich mag diese Typen einfach nicht«, sagte er dann.
»Fisk, du magst niemand, der klüger ist als du.«
»Das war mein voller Ernst. Und ich sag' dir: Was immer auch geschieht, wir sollten diesen Typen sehr aufmerksam beobachten.«
SIEBTES KAPITEL
Als Ober nach Hause kam, sah er Nathan und Eric zu seiner Überraschung schweigend auf der großen blauen Couch sitzen. »Wo ist Ben?« fragte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr. »Ich dachte, ihr wolltet euch um acht ans Leder?«
»Er muß im Büro hängengeblieben sein«, vermutete Nathan und betrachtete Ober erstaunt. »Warst du beim Friseur?«
»Ganz recht.« Ober fuhr sich mit den Fingern durch seinen blonden Haarschopf. »Ihr solltet da übrigens auch hin. Jemand in meinem Büro hat ihn mir empfohlen - er schneidet den ganzen Senatoren die Haare. Einmal hat er sogar Jimmy Carter unter der Schere gehabt. Er heißt Murray Simone, der King of Hair.« Er rieb
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