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Der Zeichner der Finsternis

Der Zeichner der Finsternis

Titel: Der Zeichner der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilsa J. Bick
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Menschlichkeit oder Hoffnung – ganz egal. Das Einzige, was zählt, ist: Das Licht ist da.« Sie ballte über meiner Brust die Faust. »Das Licht ist Macht, die Macht der Liebe, und die Liebe ist stark.«
    Ich erwiderte halb fasziniert, halb belustigt: »All you need is love?«
    »Stell dich nicht dumm, dafür bist du viel zu intelligent. Nur von Liebe allein kann der Mensch natürlich nicht leben. Eine übergroße Liebe, die sich über alle Vernunft hinwegsetzt, kann aber auch zerstörerisch wirken, ja tödlich sein. Also sieh dich vor. Du wirst die Dunkelheit besiegen, wenn du auf dein Herz hörst, Christian, davon bin ich überzeugt. Du darfst dich nur nicht beirren lassen.«

XXXIII
    Dann war Halloween.
    Onkel Hank hat jedes Halloween Dienst. »Süßes oder Saures« findet zwischen achtzehn und einundzwanzig Uhr statt, gegen einundzwanzig Uhr dreißig veranstaltet die Stadt ein großes Freudenfeuer an der Schule. Ab zweiundzwanzig Uhr ist Sperrstunde. Ein bisschen krass für Samstagabend, aber auf die Weise hält sich der Vandalismus einigermaßen in Grenzen.
    Ich fuhr gegen fünf mit dem Rad zu Sarah, um ihr bei den Vorbereitungen für die Party zu helfen. Die Schoenbergs wohnen ein Stück außerhalb auf einem großen Waldgrundstück, aber die Fahrt machte mir richtig Spaß. Sarahs Vater war nicht da. Er war auf einer Konferenz in Madison und kam erst Montagabend wieder. Mrs Schoenberg hatte schon einiges organisiert. Hinten im Garten stand eine Wanne für das Apfeltauchen. Neben dem großen Eisengrill war ein Riesenberg Heuballen und Maisstängel gestapelt. Auch am Haus lagen Heuballen als Sitzgelegenheiten für die Gäste. Mrs Schoenberg hatte einen bunten Pappmaché-Esel besorgt, der mit Bonbons und Kleingeld gefüllt an einem Seil hing für die Piñata, bei der wir mit verbundenen Augen abwechselnd versuchen würden, den Esel zu treffen und zu zerschlagen.Das Ganze war ein bisschen altmodisch, aber im Keller gab es eine Karaoke-Anlage und einen Stapel Grusel-DVDs, falls sich jemand einfach nur mit Popcorn vollstopfen und berieseln lassen wollte.
    Als Sarah die Tür öffnete, dachte ich erst, ich hätte mich im Haus geirrt. Sie hatte sich nicht nur verkleidet, sie sah in ihrem schulterfreien gelben Kleid superschön aus. Der Rock war so weit, dass man sich darunter hätte verstecken können. Sie hatte sich Locken gedreht, eine rote Rose ins Haar gesteckt und trug lange weiße Handschuhe.
    »Klasse! Du siehst toll aus.«
    »Echt?« Sie drehte sich einmal um sich selbst, sodass sich ihr Rock ausstellte wie ein aufgespannter Regenschirm. »Ich bin Belle aus Die Schöne und das Biest .«
    Schon als wir noch klein waren, hatte Sarah für Disney geschwärmt, und das hatte sich anscheinend trotz ihrer Beliebtheit nicht gegeben. Oder Disney galt bei den angesagten Leuten als cool – keine Ahnung.
    »Du bist ja gar nicht verkleidet!«
    »Äh …« Ich blickte an mir herunter: schwarzes T-Shirt, schwarze Jeans, schwarze Turnschuhe. Ich tippte an meine schwarze Baskenmütze und verkündete: »Ich bin ein armer Künstler! Voilà!« Ich zog schwungvoll Witeks Pinselfutteral aus der Hosentasche. »Ich hab sogar meine Pinsel dabei! Ach übrigens – sollte ich nicht eine Deko malen oder so was?«
    Sie wurde rot. »Ach … ich hab’s mir anders überlegt. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich lade dich ein, weil wir dich ausnutzen wollen. Du sollst dich amüsieren wie alle anderen.«
    »Danke«, sagte ich verlegen. »Nett von dir.«
    »Find ich auch. Aber bilde dir bloß nichts drauf ein!« Sie nahm mich an der Hand und zog mich ins Haus. »Du kannst mir Stühle schleppen helfen.«
    »Ich dachte, ich soll mich nur amüsieren!«
    »Mann, Christian …«
    + + +
    Es ging richtig gut los. Bald waren zwanzig, dreißig Leute da. Alle waren verkleidet, die meisten, so wie ich, eher unauffällig: Stadtstreicher, Bandenkids und so weiter. Aber ich war – Überraschung! – der einzige arme Künstler.
    Ich und ein paar andere backten erst mal mit Mrs Schoenberg Plätzchen. Ich weiß, das klingt kindisch, aber eigentlich macht es total Spaß, und die Schokokekse waren superlecker. Dann gingen wir runter in den Keller zum Karaoke. Ich griff nicht zum Mikro, aber Sarah hat eine echt tolle Stimme. Sie sang irgendwas übers Küssen im Kornfeld und Swing, Swing . Mir wurde auf einmal ganz warm ums Herz. Ein schönes Gefühl. Es kam mir vor, als würde Sarah nur für mich singen. Dazwischen gingen wir abwechselnd zur Tür und machten

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