Der Zeichner der Finsternis
Die anderen starrten alle auf irgendwas hinter mir. Ich drehte mich um – und meine Beine wurden zu Gummi.
Karl Dekker. Er hatte Crabbe und Goyle oder sonst wen mitgebracht. Alle drei trugen die grässliche Maske und den Umhang aus Scream, bloß hatten sie die im Dunkeln leuchtenden Masken in die Haare hochgeschoben – was ihren Anblick kein bisschen weniger gruselig machte. Wie Dekker so vor den lodernden Flammen stand, glich er einem Teufel vor dem Höllenfeuer.
Er bleckte wölfisch grinsend die Zähne. »Hi, Killer! Süßes oder Saures?«
Im selben Augenblick ging mir ein Licht auf.
Daecher.
Dekker.
XXXIV
Niemand sagte etwas. Ich stand mit dem Baseballschläger in der Hand da und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Es kam mir vor, als stünde die Verkörperung alles Bösen vor mir, wie bei einem Chemieexperiment, bei dem man die ganzen Verunreinigungen herausdestilliert und zum Schluss den reinen Stoff erhält. Dekker war das Böse in Reinform.
Wieso hatten wir die drei nicht gehört? Sie waren bestimmt mit den Motorrädern da. Aber das war jetzt auch schon egal.
Ich hörte es leise scharren, und als ich einen Blick über die Schulter warf, stellte ich fest, dass sich die anderen in Richtung Haus schoben. Und mich allein stehen ließen.
Nur Sarah nicht. Sie kam zu mir und stellte sich hinter mich. Schatten flackerten über ihr Gesicht. »Was willst du, Karl?«, fragte sie.
»Von dir will ich nichts – ich hab ja schon alles gekriegt, aber …«, er grinste noch breiter, »… ich will ein bisschen mit unserem Killer plaudern.«
»Du sollst ihn nicht so nennen!«
»Uuuh!« Dekker tat wieder so, als fürchtete er sich. Mir fiel sofort die Situation vor der Schule ein, als er Sarah unverschämt beglotzt und beleidigt hatte, und der Vorfall an der Scheune, als er mit dem Messer auf mich losgegangen war.Es war ein gespenstisches Dejà-vu. Jedes Mal war ich der Unterlegene gewesen. Jetzt kam das dritte Mal. Das letzte Mal.
»Killer und ich haben noch was zu besprechen. Er hat meine Maschine versaut. Nicht nur einmal, sondern zweimal. Hatte noch keine Gelegenheit, mit ihm drüber zu reden.«
Das stimmte nicht, aber ich war seit längerer Zeit mal wieder außerhalb der Reichweite Onkel Hanks und der Polizei. Abgesehen von der Begegnung vor der Schule (dort waren zu viele Zeugen in der Nähe gewesen) suchte sich Dekker gern Orte aus, wo mir nicht gleich jemand zu Hilfe kommen konnte. Er hatte anscheinend gewusst, dass die anderen Partygäste nicht eingreifen würden.
Du wolltest doch immer allein klarkommen! Jetzt kannst du beweisen, dass du’s packst!
Neulich vor der Schule hatte ich mich nicht einschüchtern lassen. So musste ich es jetzt wieder machen. Dabei konnte mir niemand helfen.
Ich gab mir einen Ruck. »Okay, dann reden wir eben drüber. Ich hab dir doch gesagt, dass ich deine Kiste wieder in Ordnung bringe.«
»Weiß ich. Wie wär’s mit jetzt gleich? Wir fahren zu mir, und du legst los. Da kann ich wenigstens aufpassen, was du treibst.«
»Jetzt gleich fahr ich nirgendwo mit dir hin.«
»Wie jetzt? Haste Schiss?«
Ich schwieg.
Dekker kam auf mich zu. »Hey, du hast doch sonst so ’ne große Klappe! Willst du vor Sarah nicht wieder den großen Macker geben, so wie neulich?«
»Lass Sarah da raus.«
»Du brauchst mich nicht in Schutz zu nehmen«, sagte Sarah gereizt.
Dekker lachte. »Jaja, du kannst ’ne richtige Kratzbürste sein, das weiß ich noch. Ich verrat dir was, Killer. Wenn die kleine Sarah so richtig in Fahrt kommt, dann ist sie wie ’ne Katze, die …«
Sarah war mit zwei Schritten bei ihm und haute ihm eine runter. Es knallte wie ein Pistolenschuss. »Halt die Klappe!«, brüllte sie unter Tränen. »Halt die Klappe!«
Dekker und ich waren völlig verdattert. Ein paar von Sarahs Freunden traten unschlüssig vor und blieben wieder stehen.
Dekker knurrte drohend: »Mach das noch ein Mal, Sarah, und ich fackle euch die Bude ab!«
»Ist ja gut«, sagte einer aus der Sportclique. »Lass die beiden in Ruhe, Dekker.«
Dekker drehte sich um. »Naaa, wer will denn da den Helden spielen?« Sein Umhang umfloss ihn wie eine schwarze Ölschicht. »Komm ruhig her! Sagst du mir das auch ins Gesicht oder traust du dich nicht?«
Keiner rührte sich. Crabbe fasste Dekker am Arm. »He, Mann, bleib locker.«
Ich sagte: »Ich komm morgen vorbei und lackiere dein Motorrad.«
»Morgen muss ich arbeiten. Irgendwer muss ja Geld verdienen, stimmt’s? Wegen deinem Alten kann ich mir
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