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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schriller wurde und dann abrupt abbrach.
    »Und sie kämpfen gegeneinander?«, fragte Lobsang.
    »Wir können es nur hoffen. Komm.«
    Sie schlichen weiter durch das Labyrinth zwischen den Kisten und passierten ein Schild mit der Aufschrift:
     
    DUCKEN
     
    »Ah, jetzt wird’s metaphysisch«, sagte Susanne.
    »Warum sollen wir uns ducken?«, fragte Lobsang.
    »Ja, warum?«
    Hinter ihnen erreichte eine Stimme das Ende ihrer Leine.
    »Was für ein organischer verdammter Elefant?«
    »Es gibt hier keinen Elefanten!«
    »Aber welchen Sinn hat dann das Schild?«
    »Es ist ein…«
    Das Ächzen wiederholte sich, ebenso der Schrei. Und dann… Jemand lief.
    Susanne und Lobsang wichen noch tiefer in die Schatten zurück.
    »Auf was bin ich da getreten?«, fragte die junge Frau nach einer Weile.
    Sie bückte sich und griff nach einer weichen, klebrigen Masse. Als sie sich wieder aufrichtete, kam ein Revisor um die Ecke.
    In seinen weit aufgerissenen Augen irrlichterte es. Er starrte Susanne und Lobsang an, als fiele es ihm schwer, sich daran zu erinnern, wer und was sie waren. Aber in der einen Hand hielt er ein Schwert, und zwar richtig herum.
    Plötzlich erschien eine Gestalt hinter ihm. Eine Hand griff nach seinem Haar und zog den Kopf zurück; die andere presste sich auf den offenen Mund.
    Der Revisor erbebte am ganzen Leib und erstarrte dann. Wenige Sekunden später löste sich der Körper auf. Bunter Staub verschwand im Nichts.
    Die letzten Reste versuchten, eine graue Kutte in der Luft zu formen, aber es gelang ihnen nicht ganz. Mit einem Schrei, den vor allem die Nackenhaare hörten, zerfaserte das graue Etwas und löste sich auf.
    Susanne starrte die Gestalt groß an. »Du bist… Du kannst unmöglich… Wer bist du?«, fragte sie.
    Die Gestalt schwieg. Vielleicht lag es daran, dass ein dickes Tuch Nase und Mund bedeckte. Die Hände steckten in Handschuhen. Das war besonders deshalb seltsam, weil die restliche Kleidung aus einem mit Pailletten besetzten Abendkleid bestand. Und einer Nerzstola. Und einem Rucksack. Und einem großen Florentinerhut mit genug Federn, um drei seltene Vogelarten aussterben zu lassen.
    Die Gestalt kramte in ihrem Rucksack und streckte dann die Hand aus. Die Finger hielten ein Stück dunkelbraunes Papier, als handelte es sich um eine Art Heilige Schrift. Lobsang nahm es vorsichtig entgegen.
    »Hier steht ›Süß & Leckers Luxusmischung‹«, sagte er. »Knusperkaramellen, Haselnussüberraschung … Pralinen?«
    Susanne öffnete die Hand und betrachtete die Reste des Erdbeer-Pralineés, das sie aufgehoben hatte. Dann richtete sie einen forschenden Blick auf die Gestalt.
    »Woher wusstest du, dass dies funktionieren würde?«, fragte sie.
    »Bitte! Ihr habt nichts von mir zu befürchten«, erklang eine gedämpfte Stimme hinter dem Tuch. »Ich habe jetzt nur noch die mit Nüssen drin, und die zergehen nicht so schnell.«
    »Wie bitte?«, entfuhr es Lobsang. »Du hast einen Revisor mit einer Praline getötet?«
    »Mit der letzten Orangencreme, ja. Hier sind wir ungeschützt. Kommt mit mir.«
    »Ein Revisor…«, hauchte Susanne. »Du bist ein Revisor. Warum sollte ich dir vertrauen?«
    »Weil es hier sonst niemanden gibt.«
    »Aber du gehörst zu ihnen «, sagte Susanne. »Ich spüre es, obwohl du all das… Zeug trägst.«
    »Ich gehörte zu ihnen«, korrigierte Lady LeJean. »Ich glaube, jetzt gehöre ich mir.«
     
    Menschen lebten auf dem Dachboden. Eine ganze Familie hatte sich hier niedergelassen. Susanne fragte sich, ob ihre Anwesenheit offiziell oder inoffiziell war. Vielleicht betraf sie das Stadium dazwischen, das in Ankh-Morpork fast die Norm darstellte – immerhin herrschte in der Stadt ein permanenter Mangel an Wohnraum. Ein großer Teil des Lebens fand auf der Straße statt, weil es sonst nirgends Platz dafür gab. Ganze Familien existierten im Schichtbetrieb, damit die Betten rund um die Uhr genutzt werden konnten. Allem Anschein nach hatten die Wärter, die für Caravatis Drei große rosarote Frauen und ein Stück Gaze zuständig waren, ihre Angehörigen auf dem weiten Dachboden des Museums untergebracht.
    Die Retterin hatte sich ihnen einfach hinzugesellt. Eine Familie – beziehungsweise eine Schicht – saß auf Bänken am Tisch, in Zeitlosigkeit erstarrt. Lady LeJean nahm den Hut ab, hängte ihn an die Mutter und schüttelte ihr Haar. Dann löste sie die dicken Tücher von Mund und Nase.
    »Hier sind wir relativ sicher«, sagte sie. »Die meisten halten sich draußen auf

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