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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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für einsame Spitze«, sagte er, um der Sache ein wenig Nachdruck zu verleihen.
    »Dein Abt hält mich für… spitz?«, fragte Ronnie Soak argwöhnisch.
    »Er findet dich toll, klasse, super«, erläuterte Lu-Tze. »Hat viele Schriftrollen über dich verfasst. Er meint, du bist sehr wichtig, wenn man verstehen will, wie das Universum funktioniert.«
    »Ja, aber… Er ist nur einer«, sagte Ronnie Soak mit dem verdrießlichen Widerstreben eines Mannes, der sich nur ungern von seinem Selbstmitleid trennt.
    »Rein mathematisch gesehen ja«, entgegnete Lu-Tze. »Aber er ist ein Abt. Und gescheit. Er denkt so große Gedanken, dass er ein zweites Leben braucht, um sie zu beenden! Viele Bauern fürchten den Hunger, aber jemand wie du sollte auf Qualität aus sein. Und sieh dir nur die Städte von heute an. Früher gab es nur Ansammlungen von Lehmziegeln mit Namen wie Ur, Uh und Ugg. Heutzutage leben Millionen in Städten. Städte sind sehr kompliziert. Stell dir vor, was die Leute wirklich fürchten. Und Furcht… Nun, Furcht ist Glaube. Hmm?«
    Es folgte eine längere Pause.
    »Nun, ja, aber…«, begann Ronnie.
    »Natürlich leben die Leute nicht mehr lange in Städten, denn die grauen Burschen nehmen alles auseinander, um zu sehen, wie es funktioniert. Und das bedeutet: Bald gibt es keinen Glauben mehr.«
    »Meine Kunden verlassen sich auf mich…«, murmelte Ronnie Soak.
    »Welche Kunden?«, erwiderte Lu-Tze. »Da spricht Soak. Es ist nicht die Stimme von Kaos.«
    »Ha!«, sagte Kaos bitter. »Du hast mir noch nicht verraten, wie du dahinter gekommen bist.«
    Ich bin dahinter gekommen, weil ich mehr als nur drei Gehirnzellen habe, und weil du eitel bist, und weil du deinen Namen rückwärts buchstabiert auf die Seite des Wagens gemalt hast, ob’s dir klar ist oder nicht, und weil ein dunkles Fenster wie ein Spiegel wirkt, und weil ein K und ein S auch spiegelverkehrt erkennbar sind, dachte Lu-Tze. Aber diese Antwort war nicht geeignet.
    »Es war offensichtlich«, sagte er. »Du scheinst durch, sozusagen. Genauso gut könnte man ein Tuch über einen Elefanten legen. Man sieht den Elefanten nicht, aber man weiß trotzdem, dass er unter dem Tuch steckt.«
    Kaos wirkte alles andere als glücklich. »Ich weiß nicht. Nach all der Zeit…«
    »Ach? Und ich habe dich noch immer für die Nummer Eins gehalten.« Lu-Tze beschloss, seine Taktik zu wechseln. »Tut mir Leid! Nun, ich schätze, es ist nicht deine Schuld, wenn du im Lauf der Jahrhunderte die eine oder andere Fähigkeit verloren hast…«
    »Fähigkeiten verloren?«, stieß Kaos hervor und hob den Zeigefinger vor die Nase des Kehrers. »Mit dir könnte ich jederzeit fertig werden, du kleiner Wurm!«
    »Und was willst du als Waffe einsetzen? Einen gefährlichen Joghurt?« Lu-Tze kletterte vom Wagen herunter.
    Kaos sprang zu Boden. »Was fällt dir ein, so mit mir zu reden?«, fragte er scharf.
    »Wie rede ich denn mit dir?«, erwiderte Lu-Tze. »Du bist doch nur ein Milchmann.«
    Kaos brüllte. Er riss sich die gestreifte Schürze vom Leib, nahm auch die weiße Mütze ab und schien gleichzeitig größer zu werden. Dunkelheit wehte wie Rauch von seiner Gestalt.
    Lu-Tze faltete die Hände und lächelte. »Denke an Regel Nummer Eins«, sagte er.
    »Regeln? Ich bin Kaos!«
    »Der am Anfang war?«, fragte Lu-Tze.
    »Ja!«
    »Schöpfer und Zerstörer?«
    »Genau!«
    »Allem Anschein nach komplexes, strukturloses Verhalten, das jedoch eine einfache, deterministische Erklärung hat und neue Erkenntnisse über das multidimensionale Universum ermöglicht?«
    »Darauf kannst du dich ver… Wie bitte?«
    »Man muss mit der Zeit gehen und immer auf dem Laufenden bleiben!«, rief Lu-Tze aufgeregt und sprang von einem Bein auf das andere. »Du bist derjenige, für den dich die Leute halten! Und sie haben dich verändert! Ich hoffe, du kannst gut rechnen!«
    »Dir steht es nicht zu, mir zu sagen, was ich sein soll!«, donnerte Kaos. »Ich bin Kaos!«
    »Glaubst du? Aus deinem großen Comeback wird nichts, denn jetzt haben die Revisoren die Welt übernommen! Die Regeln, mein Lieber! Das sind sie! Kalte, tote Regeln !«
    Silberne Blitze flackerten in der wandernden Wolke, die einst Ronnie gewesen war. Plötzlich verschwand sie, zusammen mit Wagen und Pferd.
    »Nun, ich schätze, es hätte schlimmer kommen können«, sagte Lu-Tze zu sich selbst. »Kein sehr intelligenter Bursche. Und ein bisschen zu altmodisch.«
    Er drehte sich um und sah einige Dutzend Revisoren, die ihn

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