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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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oder andere Schrulle, daf muff ich zugeben, aber ein Igor erlaubt ef fich nie, über feinen Herrn oder feine Herrin fu urteilen. Daf ift der Ehrenkodekf der Igorf, Herr«, fügte Igor geduldig hinzu. »Auf der Welt ginge ef fehr feltfam fu, wenn wir alle gleich wären.«
    Jeremy wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er hatte sich noch nie sehr gut darauf verstanden, mit anderen Leuten zu reden. Und abgesehen von Lady LeJean und einer kurzen Auseinandersetzung mit Herrn Soak, bei der es um einen unerwünschten Käse ging, war dies das längste Gespräch seit einem Jahr. Vielleicht lag es daran, dass es ihm schwer fiel, Igor der Kategorie »andere Leute« zuzuordnen. Bisher hatte Jeremys Definition des Begriffs »Leute« keinen Platz geboten für jemanden, der mehr Nähte aufwies als eine Handtasche.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Arbeit für dich habe«, sagte er. »Ich habe einen neuen Auftrag, aber ich weiß nicht, ob… Und außerdem bin ich nicht verrückt!«
    »Wahnfinn ift nicht obligatorisch, Herr.«
    »Ich habe sogar ein Papier, das bestätigt, dass ich nicht verrückt bin!«
    »Aufgefeichnet, Herr.«
    »So etwas können nicht viele Leute vorweisen!«
    »Daf ftimmt, Herr.«
    »Ich nehme Medizin, weißt du.«
    »Gut, Herr«, sagte Igor. »Ich gehe jetft und bereite daf Frühftück vor, in Ordnung? Während du dich anfiehft, Herr.«
    Jeremy griff nach seinem feuchten Bademantel. »Ich bin gleich wieder unten«, sagte er und eilte die Treppe hinauf.
    Igor betrachtete die Gestelle mit den Werkzeugen. Nirgends zeigte sich Staub. Die Feilen, Hämmer und Zangen waren nach Größe sortiert und die Gegenstände auf der Werkbank geometrisch genau angeordnet.
    Er zog eine Schublade auf. Die Schrauben darin lagen in perfekten Reihen.
    Igors Blick glitt über die Wände. Sie waren kahl, abgesehen von den Regalen mit den Uhren. Das überraschte ihn – selbst der Sabbernde Doktor Schneidgern hatte einen Kalender an die Wand gehängt, um der Umgebung ein wenig Farbe zu verleihen. Zugegeben, der Kalender stammte von der Firma »Säurebäder und Fesseln« in Scheussli, und bei den Farben stand Rot im Vordergrund. Aber wenigstens deutete der Kalender an, dass eine Welt außerhalb der vier Wände existierte.
    Igor fühlte sich von Verwirrung erfasst. Nie zuvor hatte er für eine geistig gesunde Person gearbeitet. Er war in die Dienste von Personen getreten, die… Nun, man bezeichnete sie gemeinhin als Verrückte. Er hatte auch für einige normale Leute gearbeitet, was bedeutete, dass sie sich nur geringfügigen und gesellschaftlich akzeptablen Wahnsinn erlaubten. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, jemals für eine geistig gesunde Person tätig gewesen zu sein.
    Man hielt jemanden für verrückt, der sich Schrauben in die Nase steckte, überlegte Igor. Sie zu sortieren und in einzelnen Fächern aufzubewahren, war das genaue Gegenteil. In einem solchen Verhalten musste also geistige Gesundheit zum Ausdruck kommen.
    Nun, vielleicht nicht unbedingt…
    Igor lächelte. Er fühlte sich bereits wie zu Hause.
     
    Lu-Tze der Kehrer hielt sich im Garten der fünf Überraschungen auf und kümmerte sich dort um seine Berge. Der Besen lehnte an einer Hecke.
    Wenn er den Kopf drehte, sah er die große Statue des ewig überraschten Wen. Sie ragte weit aus dem Tempelpark auf, und das steinerne Gesicht mit den großen Augen zeigte, ja, angenehme Überraschung.
    Als Hobby eignen sich Berge vor allem für Leute, von denen es normalerweise heißt, dass sie viel Zeit haben. Aber Lu-Tze hatte keine Zeit. Die Zeit war etwas, mit dem es vor allem andere Personen zu tun bekamen. Er betrachtete sie auf die gleiche Weise, in der Leute am Ufer das Meer betrachteten. Es war groß und da draußen, und manchmal mochte es erfrischend sein, die Zehen hineinzutauchen, aber man konnte nicht die ganze Zeit über darin leben. Außerdem wurde seine Haut davon immer schrumpelig.
    Im Augenblick – im nie endenden, immer wieder neu erschaffenen Moment dieses friedlichen, sonnigen Tals – hantierte er mit kleinen Spiegeln, Schaufeln, morphischen Resonatoren und noch seltsameren Dingen, die nötig waren, um einen Berg nicht höher als etwa fünfzehn Zentimeter wachsen zu lassen.
    Die Kirschbäume blühten nach wie vor. Sie blühten immer. Es gongte irgendwo im Innern des Tempels. Einige weiße Tauben stiegen vom Dach des Klosters auf.
    Ein Schatten fiel auf den Berg.
    Lu-Tze sah zu der Person, die den Garten betreten hatte.

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