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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Er vollführte kurz die Geste der Knechtschaft und richtete dann einen fragenden Blick auf den verärgert wirkenden Jungen in der Novizenkutte.
    »Ja, Meister?«, fragte er.
    »Ich suche einen gewissen Lu-Tze«, sagte der Junge. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube gar nicht, dass es ihn wirklich gibt.«
    Lu-Tze achtete nicht darauf. »Die Vergletscherung hat eingesetzt«, meinte er. »Endlich. Siehst du, Meister? Der Gletscher ist nur einen Zoll lang, aber er hat sich bereits ein eigenes kleines Tal gegraben. Wundervoll, nicht wahr?«
    »Ja, ja, sehr gut«, erwiderte der Novize und versuchte, höflich zu einem Untergebenen zu sein. »Ist dies nicht der Garten von Lu-Tze?«
    »Meinst du Lu-Tze, der für seine Bonsai-Berge bekannt ist?«
    Der Novize hob den Blick von der Tellerreihe und blickte in ein faltiges, lächelndes Gesicht.
    » Du bist Lu-Tze? Aber du bist doch nur ein Kehrer! Ich habe gesehen, wie du in unserem Schlafsaal gefegt hast! Man hat dich getreten!«
    Lu-Tze schien dies gar nicht zu hören und hob einen etwa dreißig Zentimeter durchmessenden Teller, auf dem ein kleiner aschiger Kegel rauchte.
    »Was hältst du hiervon, Meister?«, fragte er. »Ein Vulkan. Es ist verdammt schwer, einen Vulkan zu bekommen, entschuldige bitte mein Klatschianisch.«
    Der Novize trat einen Schritt vor, bückte sich und sah dem Kehrer direkt in die Augen.
    Lu-Tze ließ sich nur selten beunruhigen, aber diesmal erzitterte etwas in ihm.
    »Du bist Lu-Tze?«
    »Ja, mein Junge. Ich bin Lu-Tze.«
    Der Novize holte tief Luft und streckte einen dünnen Arm aus. Die Hand daran hielt eine kleine Schriftrolle.
    »Vom Abt… äh, Ehrwürdiger!«
    Die Schriftrolle wackelte zwischen nervösen Fingern.
    »Die meisten Leute nennen mich Lu-Tze oder ›Kehrer‹«, sagte Lu-Tze und sammelte die Werkzeuge ein. »Bis sie mich besser kennen lernen, nennen sie mich manchmal ›Aus dem Weg mit dir‹. Ich bin nie sehr ehrwürdig gewesen, es sei denn, jemand hat sich mehrere Rechtschreibfehler geleistet.«
    Er hielt nach einer kleinen Schaufel Ausschau, die er für Gletscherarbeiten benutzte. Eben hatte er sie doch noch in der Hand gehabt.
    Der Novize beobachtete ihn mit einer Mischung aus Ehrfurcht und einem Rest von Argwohn. Ein Ruf wie der von Lu-Tze sprach sich herum. Dies war der Mann, der… Nun, er hatte praktisch alles getan, wenn man den Gerüchten Glauben schenken konnte. Aber er sah nicht danach aus. Vor dem Novizen stand ein kleiner, kahlköpfiger Mann mit einem dünnen Bart und einem freundlichen Lächeln.
    Lu-Tze klopfte dem jungen Mann auf die Schulter, um ihm dabei zu helfen, sich zu entspannen.
    »Mal sehen, was der Abt möchte«, sagte er und entrollte das Reispapier. »Oh. Hier steht, du sollst mich zu ihm bringen.«
    Panik ließ die Miene des Novizen erstarren. »Was? Wie soll das möglich sein? Novizen dürfen den Inneren Tempel nicht betreten!«
    »Ach? In dem Fall nehme ich dich mit, damit du mich zum Abt bringen kannst«, erwiderte Lu-Tze.
    »Du darfst dich im Inneren Tempel aufhalten?«, fragte der Novize und hob die Hand vor den Mund. »Aber du bist doch nur ein Keh…Oh…«
    »Ja, genau! Ich bin nicht einmal ein richtiger Mönch, geschweige denn ein Dong «, sagte der Kehrer munter. »Erstaunlich, nicht wahr?«
    »Aber die Leute reden von dir, als hättest du einen ebenso hohen Rang wie der Abt!«
    »Oh, meine Güte«, sagte Lu-Tze. »Ich bin nicht annähernd so heilig. Die kosmische Harmonie habe ich nie verstanden.«
    »Aber du hast doch all die verblüffenden Dinge zustande gebracht…«
    »Oh, ich will keineswegs behaupten, dass ich keine gute Arbeit leiste.« Lu-Tze schlenderte los, den Besen über der Schulter. »Ich bin nur nicht heilig. Gehen wir?«
    »Äh… Lu-Tze?«, fragte der Novize, als sie über den alten Ziegelsteinpfad schritten.
    »Ja?«
    »Warum heißt dieser Garten ›Garten der fünf Überraschungen‹?«
    »Wie lautete dein Name in der Welt, hastiger junger Mann?«, entgegnete Lu-Tze.
    »Neulich. Neulich Ludd, Ehr…«
    Lu-Tze hob einen warnenden Zeigefinger. »Ah?«
    »Ich meine, Kehrer.«
    »Ludd, wie? Aus Ankh-Morpork?«
    »Ja, Kehrer«, bestätigte der Junge. Sein niedergeschlagener Tonfall gab zu erkennen, dass er wusste, was jetzt kam.
    »Bei der Diebesgilde aufgewachsen? Einer von ›Ludds Jungen‹?«
    Der Junge, der einmal den Namen Neulich getragen hatte, sah dem Alten in die Augen und antwortete mit einem Singsang, der darauf hinwies, dass er diese Frage zu oft beantwortet hatte.

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