Der Zeitdieb
hast du darauf bestanden, Herr Schwarz zu sein.«
»Neue Informationen deuten auf einen Positionswechsel hin. Besagte frühere Position erscheint nicht mehr korrekt.«
Es passiert bereits, dachte Lady LeJean. Es verbirgt sich in der Dunkelheit, in der die Augen nichts sehen. Das Universum wird zu zwei Hälften, und man lebt in der Hälfte hinter den Augen. Wenn man einen Körper hat, bekommt man ein »ich«.
Ich habe gesehen, wie Galaxien starben. Ich habe Atome beim Tanzen beobachtet. Aber bis ich die Dunkelheit hinter den Augen erfuhr, wusste ich den Tod nicht vom Tanz zu unterscheiden. Und wir haben uns geirrt. Wenn man Wasser in einen Krug schüttet, so nimmt es die Form des Krugs an und ist nicht mehr das gleiche Wasser wie vorher. Vor einer Stunde hätten sie nicht einmal davon geträumt, Namen zu haben, und jetzt streiten sie sich darüber…
Und sie können nicht hören, was ich denke!
Lady LeJean wollte mehr Zeit. Die Angewohnheiten von Jahrmilliarden lassen sich nicht von einem Mund voll Brot verdrängen, und sie sah ganz deutlich, dass eine so verrückte Lebensform wie die Menschen eigentlich gar nicht existieren durfte. Völlig klar. Kein Zweifel.
Trotzdem wünschte sie sich mehr Zeit.
Um die Menschen zu studieren. Genau, um sie zu studieren.
Es sollten… Berichte geschrieben werden. Ja. Berichte. Vollständige Berichte. Lange, vollständige Berichte.
Vorsicht. Darauf kam es an. So lautete das richtige Wort! Revisoren liebten dieses Wort. Verschiebe immer etwas auf morgen, das sich morgen aufs nächste Jahr verschieben lässt.
Es muss darauf hingewiesen werden, dass Lady LeJean an dieser Stelle nicht mehr sie selbst war. Sie hatte sich nicht mehr richtig im Griff. Die anderen sechs Revisoren… Mit der Zeit würden sie ebenso denken wie sie. Aber es gab eben nicht genug Zeit. Wenn sie sie doch nur dazu bringen konnte, etwas zu essen. Eine solche Erfahrung würde sie von allem anderen ablenken. Allerdings schien es keine Lebensmittel in der Nähe zu geben.
Dafür sah Lady LeJean einen großen Hammer auf der Werkbank.
»Wie kommst du voran, Herr Jeremy?«, fragte sie und schritt zur Uhr. Igor bewegte sich sehr schnell und trat wie schützend vor die gläserne Säule.
Jeremy kam rasch näher. »Wir haben alle Systeme ausgerichtet…«
»Noch einmal«, warf Igor ein.
»Ja, noch einmal…«
»Mehrmalf, um ganf genau fu fein«, fügte Igor hinzu.
»Und jetzt warten wir nur noch auf das richtige Wetter.«
»Aber ich dachte, ihr hättet Blitze gespeichert.« Ihre Ladyschaft deutete auf einen grünlichen Glaszylinder an der Wand der Werkstatt. Darin blubberte und zischte es. Und die Werkbank mit dem Hammer stand in unmittelbarer Nähe. Und niemand konnte ihre Gedanken lesen! Welch eine Macht !
»Wir haben genügend gespeicherte Blitze, um dafür zu sorgen, dass der Mechanismus weiterhin funktioniert«, sagte Jeremy. »Aber um ihn in Bewegung zu setzen, ist etwas notwendig, das Igor einen ordentlichen Schlag nennt.«
Igor hob zwei Krokodilklemmen, die so groß wie sein Kopf waren.
»Daf ftimmt«, sagte er. »Aber hier in Ankh-Morpork gibt ef kaum geeignete Gewitter. Ich habe immer wieder betont, daff ef beffer gewesen wäre, diefef Ding in Überwald fu bauen.«
»Was ist die Ursache für die Verzögerung?«, fragte – vielleicht - Herr Weiß.
»Wir brauchen ein Gewitter, für den Blitz«, erklärte Jeremy. Lady LeJean trat zurück und kam der Werkbank dadurch ein wenig näher.
»Nun? Lasst einen entstehen«, meinte Herr Weiß.
»Ha, wenn wir in Überwald wären…«
»Es ist doch nur eine Frage von Druck und Potential«, sagte Herr Weiß. »Könnt ihr nicht einfach ein geeignetes Gewitter erzeugen?«
Igor sah ihn ungläubig und respektvoll an.
»Du kommft nicht auf Überwald, oder?«, fragte er. Dann schlug er sich mit der flachen Hand an die Seite des Kopfes.
»He, daf habe ich gefpürt«, sagte er. »Meine Güte! Wie haft du daf hingekriegt? Der Luftdruck fiel wie ein Ftein!«
Funken tanzten über seine schwarzen Fingernägel. Er strahlte.
»Ich gehe und bringe den Blitfableiter in Pofition.« Igor eilte zu einer Anordnung aus Flaschenzügen an der Wand.
Lady LeJean beobachtete die anderen Revisoren und wünschte sich, ihre Gedanken lesen zu können. Sie hätte jetzt am liebsten geflucht, aber leider kannte sie keine geeigneten menschlichen Kraftausdrücke.
»Dies ist gegen die Regeln !«, zischte sie.
»Es handelt sich nur um einen Fall von Zweckdienlichkeit«, erwiderte Herr
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