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Der Zeitdieb

Der Zeitdieb

Titel: Der Zeitdieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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auf.« Jeremy
    blickte auf die Papiere hinab, die Igor ihm gereicht hatte, und ein Name fiel ihm auf.
    Das oberste Blatt war unterschrieben. In gewisser Weise zumindest.
    Mit der Hand geschriebene, aber wie gedruckt wirkende
    Großbuchstaben formten eine kurze Mitteilung, und darunter stand ein Name.

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    Jeremy erinnerte sich. »Oh, Lady LeJean steckt dahinter. Sie hat dich zu mir geschickt?«
    »Ja, Herr.«
    Igor schien mehr von ihm zu erwarten, deshalb machte sich Jeremy die Mühe, die restlichen Referenzen zu lesen. Einige von ihnen waren mit etwas geschrieben, von dem er nur hoffen konnte, dass es sich um
    getrocknete braune Tinte handelte. Gelegentlich hatten auch Buntstifte Verwendung gefunden. Hier und dort zeigten sich Brandspuren an den
    Rändern. Das Lob erschien ihm in allen Fällen als zu überschwänglich, und nach einer Weile konnte er bei den Signaturen eine gewisse Tendenz ausmachen.
    »Hier hat jemand namens Wahnsinniger Doktor Schippe
    unterschrieben«, sagte Jeremy.
    »Oh, daf ›Wahnfinniger‹ gehörte nicht direkt fu feinem Namen. Ef war mehr ein Spitfname.«
    »War er wahnsinnig?«
    »Wer kann daf schon fagen, Herr?«, erwiderte Igor ruhig.
    »Und der Irre Baron Haha? Hier steht unter ›Gründe für die Aufgabe
    der Stellung‹, dass er von einer brennenden Windmühle zerdrückt
    wurde.«
    »Ef war eine Verwechfelung, Herr.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja, Herr. Die Leute hielten ihn für den Heulenden Doktor Berferk,
    Herr.«
    »Oh. Ah, ja.« Jeremy blickte auf die Referenzen. »Für den du ebenfalls gearbeitet hast, wie ich sehe.«
    »Ja, Herr.«
    »Und der an Blutvergiftung starb?«
    »Ja, Herr. Verurfacht von einer schmutfigen Heugabel.«
    »Und… Nipsie der Pfähler?«
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    »Äh, würdeft du mir glauben, wenn ich dir fage, daff er ein Kebab-
    Lokal hatte, Herr?«
    »Hatte er eins?«
    »Ja, aber natürlich kein normalef, Herr.«
    »Soll das heißen, er war ebenfalls verrückt?«
    »Nun, er hatte die eine oder andere Schrulle, daf muff ich zugeben,
    aber ein Igor erlaubt ef fich nie, über feinen Herrn oder feine Herrin fu urteilen. Daf ift der Ehrenkodekf der Igorf, Herr«, fügte Igor geduldig hinzu. »Auf der Welt ginge ef fehr feltfam fu, wenn wir alle gleich
    wären.«
    Jeremy wusste nicht, wie er sich jetzt verhalten sollte. Er hatte sich noch nie sehr gut darauf verstanden, mit anderen Leuten zu reden. Und abgesehen von Lady LeJean und einer kurzen Auseinandersetzung mit
    Herrn Soak, bei der es um einen unerwünschten Käse ging, war dies das längste Gespräch seit einem Jahr. Vielleicht lag es daran, dass es ihm schwer fiel, Igor der Kategorie »andere Leute« zuzuordnen. Bisher hatte Jeremys Definition des Begriffs »Leute« keinen Platz geboten für
    jemanden, der mehr Nähte aufwies als eine Handtasche.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Arbeit für dich habe«, sagte er. »Ich habe einen neuen Auftrag, aber ich weiß nicht, ob… Und außerdem bin
    ich nicht verrückt!«
    »Wahnfinn ift nicht obligatorisch, Herr.«
    »Ich habe sogar ein Papier, das bestätigt, dass ich nicht verrückt bin!«
    »Aufgefeichnet, Herr.«
    »So etwas können nicht viele Leute vorweisen!«
    »Daf ftimmt, Herr.«
    »Ich nehme Medizin, weißt du.«
    »Gut, Herr«, sagte Igor. »Ich gehe jetft und bereite daf Frühftück vor, in Ordnung? Während du dich anfiehft, Herr.«
    Jeremy griff nach seinem feuchten Bademantel. »Ich bin gleich wieder unten«, sagte er und eilte die Treppe hinauf.
    Igor betrachtete die Gestelle mit den Werkzeugen. Nirgends zeigte sich Staub. Die Feilen, Hämmer und Zangen waren nach Größe sortiert und
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    die Gegenstände auf der Werkbank geometrisch genau angeordnet.
    Er zog eine Schublade auf. Die Schrauben darin lagen in perfekten
    Reihen.
    Igors Blick glitt über die Wände. Sie waren kahl, abgesehen von den
    Regalen mit den Uhren. Das überraschte ihn – selbst der Sabbernde
    Doktor Schneidgern hatte einen Kalender an die Wand gehängt, um der
    Umgebung ein wenig Farbe zu verleihen. Zugegeben, der Kalender
    stammte von der Firma »Säurebäder und Fesseln« in Scheussli, und bei den Farben stand Rot im Vordergrund. Aber wenigstens deutete der
    Kalender an, dass eine Welt außerhalb der vier Wände existierte.
    Igor fühlte sich von Verwirrung erfasst. Nie zuvor hatte er für eine geistig gesunde Person gearbeitet. Er war in die Dienste von Personen getreten, die… Nun, man bezeichnete sie gemeinhin als Verrückte. Er
    hatte auch für einige normale Leute gearbeitet,

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