Der Zeitenherrscher
vor.
Vor ihm saß die kleine Krähe, und selbst sie schaute fragend zu ihm auf. In Simon keimte kurz eine Hoffnung auf, doch dann sah er dem Vogel bereits an, dass dies die Möglichkeiten der Krähe überschritt. Ihr Zauber würde gewiss nicht ausreichen, um für eine solche Dauer, wie sie sie benötigten, noch einmal die Zeit anzuhalten. Dennoch fragte er vorsichtig: „Kannst du vielleicht …?“
Doch die Krähe schüttelte bereits den Kopf. „So viel Macht besitze ich nicht“, gab sie zurück. „Tut mir leid. Ich könnte versuchen, zum Schiff zu gelangen und die Zeitmaschine anzuhalten, doch glaub mir, ich weiß es genau: Das Rieseln im Inneren der Uhr kann man nicht stoppen.“
Simon nickte. Er glaubte, die Blicke der anderen noch immer auf sich zu spüren. So oft hatte er sie schon mit Einfällen überrascht. Doch dieses Mal würde ihm das nicht möglich sein.
Er konnte nicht ihr Hoffnungsträger sein.
Er konnte sie nicht retten.
Im Gegenteil. Er hatte sie sogar belogen. Seine Schätzung vorhin für den Rückweg konnte nicht stimmen. Er hatte ihnen nur Mut machen wollen mit dieser Lüge, um sie anzufeuern. Doch eigentlich hatte er vorhin schon die Befürchtung gehabt, die Zeit würde nicht ausreichen.
Und nun, mit Caspars Geständnis, war die Lage eindeutig: Sie würden das Schiff nicht erreichen können. So schnell sie vielleicht auch laufen würden.
Sie saßen hier fest. Im Winter des Jahres 1890.
Und es gab niemanden auf der Welt, der davon wusste.
Allmählich machte sich ein Verdacht in ihm breit.
Konnte das sein?
Konnte der Grund für das Beben wirklich
dieses eine Wesen sein?
War es diesem Tier möglich gewesen, eine solche Macht zu erlangen?
Oder täuschte er sich gar in
ihm?
Eines war gewiss: Wenn sein Verdacht sich bestätigte, dann war es riskant, diesen kleinen schwarzen Unruhestifter
in Simons Nähe zu lassen. Gemeinsam konnten sie ihm gefährlich werden.
Ihm und seinem großen Vorhaben.
In Gedanken
beschwörte er Simons Gesicht herauf.
Der Junge.
Schwerfällig schob sich der Magier weiter durch die Hallen, seine
Erschöpfung noch immer missachtend.
Er hatte keine Zeit mehr, sich auszuruhen.
Er musste handeln.
Jetzt!
Etwas berührte Simon an der Schulter. Er fuhr herum und blickte Moon in die Augen.
„Kommt“, sagte der Indianer nur. Er wandte sich um und ging los, in Richtung Wounded Knee .
„Was …“ Salomon schien zu überlegen, sich Moon in den Weg zu stellen. Doch Moon machte einen sehr entschlossenen Eindruck, und so zog Salomon es vor, seinen Freund erst einmal zu begleiten. „Was hast du denn vor?“ Salomon wies in die entgegengesetzte Richtung. „Dort liegt das Schiff! Wir müssen da lang.“
Auch Neferti kam nun auf sie zu. „Moon, Salomon hat recht.
Du gehst nur den Weg zurück. Wir müssen dort entlang.“
Abrupt hielt der Indianer inne. Erneut drehte er sich nach Simon um, der noch immer nachdenklich auf seinem Platz stand. „Du batest mich, dir zu vertrauen“, sagte Moon in ruhigem Ton. „Nun bitte ich dich um Vertrauen. Komm!“
Moon schritt weiter voraus.
Simon war es leid zu grübeln. „Los, lasst uns tun, was er sagt“, schlug er vor, und endlich kam Bewegung in ihn. Er schritt Moon hinterher.
Salomon kam zu ihm gelaufen. „Was soll das? Haben wir jetzt schon aufgegeben? Sollen wir wirklich hierbleiben?“
Simon nickte in die Richtung, in der das Schiff lag. „Du kannst es ja versuchen. Es ist unmöglich, das Schiff vor Ablauf der Zeit zu erreichen. Vielleicht ist es wirklich das Beste, Moon zu folgen. Vielleicht weiß er einen guten Ort, wo wir …“
Salomon blieb fassungslos stehen. „Ich glaube das nicht. Du gibst auf? Du … du hast dich noch nie von irgendetwas abbringen lassen. Du …“
Neferti, Nin-Si und Caspar schlossen sich nun ebenfalls Simon und dem Indianer an. Caspar hielt einigen Abstand zu der Gruppe und versuchte, Blickkontakte zu vermeiden.
Salomon lief erneut nach vorne an Moons Seite. „Sag mir wenigstens, wo wir hingehen. Wo bringst du uns hin?“
„Šúnkawakan“, gab Moon in seiner Lakota-Sprache zur Antwort. „Ich hoffe, sie sind noch da.“ Und damit verfiel er in grüblerisches Schweigen.
„Was ist das? Šún … kawa …? Was soll das sein? Ich kann es ja nicht einmal aussprechen. Machst du jetzt Indianer aus uns?“ Salomon sah seinen Freund seufzend an. Doch Moon schwieg beharrlich. Alle Fragen prallten an ihm ab. Und auch die anderen stapften nur stumm und nachdenklich durch den Schnee. Also zog
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