Der Zeitenherrscher
– den Knauf, an den Cowboys sonst ihre Lassos banden, wenn sie Rinder jagten und einfingen.
Endlich waren sie so weit. Langsam setzten sich die Pferde in Bewegung.
Salomon suchte Simons und Moons Blicke und zwinkerte ihnen zu.
Ich bin also nicht der Einzige, der glaubt, wir könnten es noch schaffen, dachte Simon erleichtert, während sie, gemächlich weiterhin im Schritttempo, die Ebene des Wounded Knee hinter sich ließen.
Plötzlich durchschlug der Knall eines Gewehres die Ruhe. Die Freunde wandten sich blitzschnell um und entdeckten einen US-Soldaten, der den Lauf seines Gewehres in ihre Richtung hielt.
„Stehen bleiben, oder ich knall euch ab!“, rief er, und Simon zweifelte keine Sekunde an seinen Worten.
„Flieht!“ Moon schrie jetzt aus Leibeskräften, und schon beugte er sich auf seinem Pferd vor und gebot dem Tier den Galopp. Simon wurde mitgerissen. Er beugte sich ebenfalls vor und umklammerte mit aller Kraft den Sattelknauf, um nicht herunterzufallen.
Die anderen trieben ebenfalls ihre Pferde an.
„Stehen bleiben!“, brüllte der Soldat noch einmal. Immer mehr Männer der Kavallerie tauchten auf. Sie zogen ihre Waffen: Gewehre und Pistolen.
Ein letztes Mal schrie der Soldat den Freunden etwas nach, doch sie waren schon zu weit von ihm entfernt, um ihn zu verstehen. Wieder erklang ein Schuss.
Simon warf noch einmal einen Blick zurück, was ihm allerdings schwerfiel. Sein Körper wurde hin und her geworfen. Dennoch konnte er erkennen, wie einige der Soldaten auf ihre Pferde sprangen und den Freunden nachjagten.
Auch Moon war dies nicht entgangen. Er trieb sein Pferd noch weiter an.
Wieder peitschten Schüsse an ihnen vorbei. Eine Kugel durchschlug gerade den Ast eines Baumes, an dem Simon vorbeiritt. Er erschreckte sich so sehr, dass er beinahe den Halt verloren hätte.
Noch einmal sah er sich um. Die Soldaten holten auf.
„Wir sind zu langsam!“, rief Simon Moon zu. „Ich halte dich nur auf! Flieh du mit den anderen!“
Doch an Moons Gesicht konnte er ablesen, dass dies für den Indianer nicht infrage kam.
Wieder peitschten Schüsse durch die Luft. Neferti schrie auf. Erschrocken sah Simon zu ihr hinüber. Eine der Kugeln hatte ihr Pferd gestreift. Es blutete stark am Unterschenkel. Schon verlor das Pferd an Geschwindigkeit.
„Neferti!“, schrie Nin-Si erschrocken. Sie wendete ihr Pferd und ritt zu ihrer Freundin. „Spring auf!“
Nin-Si lenkte ihr Pferd so nahe an Nefertis Tier heran, dass die Ägypterin sich von ihrem Sattel aus hinter Nin-Si aufs Pferd hieven konnte. Mit einiger Mühe konnte sie sich an der Asiatin festhalten. Das verwundete Pferd trieb ab und ritt zurück zu seiner Weide.
Inzwischen holten die Soldaten weiter auf. Schon hatte das Pferd des vordersten Mannes Nin-Sis Pferd fast erreicht.
„Stehen bleiben!“, brüllte der Mann erneut und zielte mit seiner Waffe genau auf Nin-Sis Kopf.
In dieser Sekunde verdunkelte sich der Himmel. Tausende von Krähen tauchten wie aus dem Nichts auf. Als dichte schwarze Wolke zogen sie krächzend und schreiend über die Reiter hinweg. Die Jugendlichen und die Männer duckten sich auf ihren Tieren.
Einige Soldaten rissen bereits ihre Gewehrläufe in die Höhe und zielten auf die Vögel.
Der Schwarm der Krähen drehte hinter den Reitern in einem weiten Bogen, dann kamen sie auf die Soldaten zugestürzt.
Nur zwei Schüsse krachten. Mehr war den Soldaten nicht möglich. Ihre Pferde bäumten sich wiehernd auf oder warfen sich zur Seite. Die Männer konnten sich nicht mehr in den Sätteln halten. Sie fielen von den Tieren herunter, und die Pferde galoppierten erschrocken davon.
Der Schwarm der Krähen löste sich auf.
Diese ganze Attacke hatte keine Minute gedauert.
In alle Himmelsrichtungen stoben die Vögel davon.
Bis auf eine einzige Krähe. Sie löste sich aus dem Schwarm, flatterte zu Simon und verkrallte sich auf dessen Schulter in die Kleidung. Zu gern hätte Simon der Krähe über das Gefieder gestreichelt, doch er wagte es nicht, eine Hand von dem Sattel zu nehmen.
„Danke!“, rief er ihr nur zu, und die Krähe krächzte einmal zufrieden auf.
Moon trieb sie weiter zur Eile an. Sie blieben im Galopp. Die Pferde schnauften, doch sie hielten durch.
Einige Zeit waren sie so unterwegs, bis sich am Horizont zwei Fackeln zeigten, deren Flammen lodernd zum Himmelstoben. Und nur Sekunden darauf waren bereits die Mastkörbe zu sehen und die zerrissenen Segel.
Die Freunde ritten bis zum Ufer des schmalen Flusses.
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