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Der Zeitenherrscher

Titel: Der Zeitenherrscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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seinen Blick. „Dort vorn, wo die Strickleiter befestigt ist, stand er auf der Reling“, bestätigte sie. „Und ohne sich umzudrehen, ist er gesprungen.“
    „Was …?“
    „Ich bin sofort zu ihm geflogen, doch ich konnte ihn nicht mehr entdecken. Das Meer war völlig ruhig. Nicht einmal eine kleine Welle hatte dein Vater hinterlassen. Zuerst dachte ich, er sei ertrunken. Doch dann erfuhr ich die Wahrheit. Nur allmählich. Und nur, weil der Schattengreifer selbst das Geheimnis lüftete, warum dein Vater fliehen konnte.“
    „Echte Gefühle“, sagte Simon betont, und die Krähe kicherte.
    „Oh, du erinnerst dich noch an unser letztes Gespräch!“
    „All sein Zauber endet da, wo sich ein menschliches Herz öffnet“, sagte Simon weiter. „Das hast du mir damals auf dem Schiff gesagt. Gegen wahre Menschlichkeit und echte Gefühle ist der Schattengreifer mit seiner Magie machtlos.“
    Die Krähe nickte anerkennend. „Kompliment. Das hast du dir gut gemerkt. Du bist bestimmt der erste Mensch, dem ich etwas beigebracht habe“, kicherte sie, dann wurde sie wieder ernst: „Deine Großmutter machte sich damals große Sorgen um ihren Sohn. Sie vermisste deinen Vater. Und er vermisste sie.“
    „Wahre Gefühle!“
    „Mit dem mutigen Satz ins Meer befreite sich dein Vater ohne es zu ahnen auch aus dem Zauberbann des Schattengreifers. Er tauchte auf in der Welt, in der er geliebt und vermisst wurde.
    Genau so war es! Bei meinen Federn!“
    „Und damit war er für alle Zeit für den Schattengreifer verloren.“
    „Du bist ein schlaues Kerlchen! Ja, einmal raus aus dem Zauber – und der Schattengreifer kann tun, was er will, er erreicht denjenigen nicht mehr.“
    Simon blickte zu der Reling, dorthin, wo sein Vater von Bord gesprungen war. Er versuchte, ihn sich vorzustellen, diesen Jungen, den er nur von dem Foto im Wohnzimmer kannte. Und er bewunderte seinen Vater für dessen Mut, sich mit einem gewagten Sprung zu retten.
    Plötzlich riss Simon die Augen auf. „Deshalb die Katastrophen!“, rief er aus. „Jetzt verstehe ich das! Der Schattengreifer erscheint dann, wenn die Not der Menschen am größten ist. Er entführt die Jugendlichen nicht, er lässt sie sich geben .“
    Die Krähe schnalzte hörbar mit der Zunge. „Wirklich ein cleveres Kerlchen! Die Eltern vermissen ihre Kinder nicht. Denn sie wurden ihnen nicht genommen. Sie …“
    „… vertrauten sie dem Schattengreifer an. Er lässt sie in dem Glauben, er rette die Jugendlichen. Und so …“
    „… haben die Eltern nicht das Gefühl, sie hätten jemanden verloren. Sie leben in dem Glauben …“
    „… sie haben ihre Kinder gerettet. Und deshalb sehnen sie sie nicht herbei.“ Simon schlug mit der Faust auf die Reling. „Deswegen also können die Zeitenkrieger nicht fliehen.“
    Die Krähe trippelte auf der Stelle. „Genial, oder? Wenn es nicht so furchtbar traurig wäre, könnte man ihn für diesen Schachzug glatt bewundern.“
    „Und ich bin hier, weil ich der Sohn meines Vaters bin“, schloss Simon. „Der Schattengreifer erhofft sich auch von mir, dass ich ihm mit meinem Können und meinem Wissen zur Seite stehen kann.“
    „Oh, ich denke, er hat größere Dinge mit dir vor.“
    Simon verzog nachdenklich das Gesicht. „Aber welche Dinge? Was ist sein …“
    Da wurden sie unterbrochen. Neferti war erwacht und kam zu Simon und der Krähe an die Reling. Mit einer Hand wischte sie sich über das Gesicht. Sie hatte noch nicht ganz ausgeschlafen, doch man konnte ihr ansehen, dass auch ihr der Schlaf gutgetan hatte.
    „Ich konnte euer Gespräch verfolgen, während ich wach wurde“, sagte sie. „Und mir ist jetzt auch einiges klar geworden.“
    „So?“ Die Krähe war sichtlich verärgert über die Unterbrechung. Sie hätte das Gespräch mit Simon wohl gern weitergeführt.
    Simon schloss daraus, dass sie noch weitaus mehr wusste.
    Und er spürte, dass sie bereit war, dieses Wissen mit ihm zu teilen.
    Doch das musste warten. Simon wandte sich Neferti zu. „Was ist dir bewusst geworden?“
    „Wir hatten doch darüber gesprochen, dass wir Zeitenkrieger schon einmal bei dir gewesen sind. Dass wir durch das Hemd auf der Zeitmaschine zu dir nach Hause geführt wurden.“
    „… und dass ich euch seltsamerweise nicht bemerkt hatte“, ergänzte Simon und sah Neferti gespannt an.
    „Weil es nicht dein Hemd war“, erklärte Neferti. „Verstehst du? Es ist das Hemd deines Vaters. Und es hat uns in seine Zeit geführt. In eine Zeit, in der er

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