Der Zeitenherrscher
keine Illusion. Der Schattengreifer hatte ihn an diesen Ort geführt, um ihn in alle Geheimnisse einzuweihen.
Doch was für einen schrecklichen Plan hatte Simon zu hören bekommen. Er wusste noch immer nicht, wie er reagieren sollte. Er …
„Komm! Es ist Zeit.“ Der Schattengreifer ging voraus, dem Ausgang der Höhle entgegen. Simon folgte ihm nach. Er suchte nach Worten, mit denen er den Schattengreifer vielleicht umstimmen konnte. Mit denen er dem Magier bewusst machen konnte, welchem Wahnsinn er verfallen war.
Die ganze Menschheit unterdrücken für eine bessere Welt? Dies war doch auch eine Form der Gewalt. Dies …
Eine Brise wehte ihm kühl ins Gesicht, und Simon atmete tief ein. Es tat gut, aus der Höhle herauszukommen. Das Meer vor ihm schickte Wellen an den Strand, wie einen kleinen Gruß.
Simon blickte sich um. Zu seiner Rechten erkannte er den Wald, an dessen Rand er vorhin die Geburt des Schattengreifers und dessen ersten wirklichen Zauber miterleben durfte. Dann ließ er seinen Blick zur Linken schweifen. Dorthin, wo ihm vorher der Schattengreifer die Sicht versperrt hatte.
Er erschrak. Eiskalt lief es ihm durch den ganzen Körper. Es war ihm, als risse die Erde unter ihm auf.
Fassungslos starrte Simon auf das Gebirge, das am Ufer zu seiner Linken aus dem Meer herausragte. Simon blickte verstört auf die hohen Felsen, auf das rote Gestein – auf die Klippe, die wie ein großer roter Kopf über die Wellen hinausragte.
„Die … die Rotkopf-Klippe“, stammelte er. „Das … das ist …“ Er rang nach Atem. „Hier hat alles begonnen?“
„Nun bin ich dir näher, als du jemals gedacht hast, nicht wahr?“, erwiderte der Schattengreifer. „Hier, nahe deinem Zuhause, hat alles seinen Anfang genommen. Ich … du … mein Plan.“
Simon zwang sich zur Ruhe. In seinem Kopf wirbelten tausende Gedanken durcheinander. Doch er konzentrierte sich. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Er musste sich beherrschen. Gerade jetzt!
Mit Mühe gelang es ihm, wieder zur Ruhe zu kommen. Noch immer hielt er irritiert den Blick auf die Klippe gewandt. Doch in seinem Kopf formte sich bereits eine Frage. Eine Frage, die Simon schon lange auf der Seele brannte und die er nun – im Angesicht dieser Klippe – zu stellen wagte: „Was … was ist mit mir? Welche Rolle habt Ihr für mich ausersehen? Ich bin auf das Schiff gekommen, ohne dass Ihr mich entführt habt. Meinen Schatten habt Ihr mir nicht geraubt. Das hat doch eine Bedeutung, oder? Bitte sagt mir: Was habt Ihr mit mir vor?“
Der breite Mund verzerrte sich zu einem Lächeln. Dieses Mal bewegte der Schattengreifer die Lippen bei jedem Wort, das er sprach. Und jedes seiner Worte betonte er so scharf, dasses Simon tief in seinem Inneren wie ein Messer schnitt: „Du bist die Krönung des Ganzen. Du, als Sohn deines genialen Vaters, mit all dem Mut, den du bisher bewiesen hast, wirst einen ganz besonderen Platz in meiner Welt einnehmen.“
Er lächelte noch einmal, dann zog er die Hand von Simons Schulter und wies auf die Wand.
„Sieh selbst!“
Die Zeitenkrieger verblassten, und statt ihrer erschien Simons Gesicht übergroß auf der dünnen Wand vor ihm. Er hatte die Augen geschlossen. Wind schlug ihm ins Gesicht und fuhr ihm durch die Haare.
Simon bemerkte, dass etwas mit seinem Ebenbild auf der Wand nicht stimmte. Etwas war anders. Er konnte nur noch nicht erkennen, was es war.
Schon veränderte sich das Bild. Nun war nicht mehr nur der Kopf zu sehen, sondern bereits die Schultern und sein Brustkorb. Simon stand auf dem Dach des Seelensammlers, das erfasste er sofort. Ihm auf der Schulter saß die kleine Krähe und blickte angestrengt in die Ferne.
Schon war er vollständig zu sehen. Irgendetwas störte ihn bei diesem Anblick, doch Simon wusste noch immer nicht, was es war. Er sah sich selbst auf dem Dach der Kajüte stehen, vor dem Steuerrad des Schiffes, mit geschlossenen Augen. Und etwas, irgendetwas war anders als sonst.
Irgendetwas …
Etwas …
Simon blickte genauer hin.
Mit einem Mal zuckten hinter ihm am Himmel Blitze auf, und Simon in der Illusion öffnete die Augen und griff nach dem Steuerrad.
In diesem Moment stieß Simon vor der Wand einen entsetzten Schrei aus. Ein Schrei tief aus seinem Inneren. Ein Schrei seiner Seele selbst.
Nackte Panik erfasste ihn, als er die tiefen dunklen Augen seines Gegenübers erblickte und die Klaue, mit der dieser Simon auf dem Schiff das Steuerrad ergriff. Die weiße Klaue, mit
Weitere Kostenlose Bücher