Der Zeitenherrscher
Moon mit der Lanze in Schach gehalten.
Caspar kam auf Simon zu: „Komm! Lass uns auch flüchten!“
Doch Simon konnte sich nicht vom Fleck rühren. Er blickte ängstlich der Meute nach, die Neferti jagte. „Wir können sie doch nicht hier zurücklassen!“
„Du kannst ihr aber auch nicht helfen!“, gab Nin-Si zur Antwort. „Komm! Sie hat diese List gebraucht, damit wir uns und Salomon mit seiner Familie retten.“
„Wenn du jetzt hier stehen bleibst“, ergänzte Caspar, „dann war alles umsonst.“
Simon konnte nicht. Er konnte Neferti nicht einfach so der Meute überlassen. Widerwillig ließ er sich von Caspar ein paar Schritte mit sich ziehen, doch dann blieb er auf einmal stehen und lächelte die anderen erleichtert an.
„Natürlich! Die sieben Leben!“, rief er. „Neferti steht doch unter dem Schutz ihrer ägyptischen Katzengöttin. Und sie hat sieben Leben. Das sagt sie selbst immer wieder.“ Überglücklich blickte er seinen Freunden ins Gesicht. „Versteht ihr? Sie möchte nur Zeit gewinnen.“
Nin-Si lächelte ebenfalls. „Ich weiß. Ich hatte das sofort verstanden. Und nun komm mit uns. Sie wird schon wissen, was sie tut.“
„Was?“ Caspar blickte von ihr zu Simon und wieder zu Nin-Si. „Ich verstehe kein Wort.“
„Lass es dir von Nin-Si erklären“, gab Simon zurück. „Bringt Salomon und seine Familie weg, zusammen mit diesen anderenbeiden. Versteckt sie. Sorgt dafür, dass ihm nichts geschehen kann. Und dann rettet euch. Ich helfe Neferti.“
Nin-Si zog die Schultern in die Höhe. „Wie du meinst. Wir sehen uns auf dem Seelensammler!“
Und damit wandte sie sich um und lief an Caspars Seite Salomon hinterher. Moon warf die Lanze in hohem Bogen fort und folgte den Freunden.
Simons Gedanken galten jetzt nur noch Neferti. Er rannte los, der Meute nach. Doch schon nach wenigen Schritten wurde er gestoppt. Der Wachtposten hatte ihn eingeholt und hielt ihn am Arm fest. „Warte, Bursche! So leicht kommst du mir nicht davon!“
Es brauchte einige Sekunden, bis Caspar, Nin-Si und Moon die jüdischen Familien eingeholt hatten. Noch immer rannten sie die Stadtmauer entlang. Doch kaum hatten die Jugendlichen die Flüchtenden eingeholt, bog Salomons Vater in den Wald ab.
„Ein guter Freund von mir wohnt auf der anderen Seite des Waldes“, keuchte er, beinahe atemlos vor Anstrengung. „Dort können wir uns heute Nacht verstecken. Und morgen sehen wir dann weiter.“
„Vater, gib mir einen Moment!“, rief Salomon ihm zu. Er blieb stehen und drehte sich den drei Freunden zu. „Ich kenne euch zwar nicht, aber ihr seid mir in den vergangenen Stunden die größten Freunde gewesen. Wie kann ich euch nur danken?“
„Rettet euch“, antwortete Nin-Si. „Das wäre unser größtes Glück.“ Tränen rannen ihr inzwischen über die Wangen. Sie hasste Abschiede. Zärtlich nahm sie Salomon in die Arme. „Mach es gut, lieber Salomon. Und vergiss uns nicht.“
Salomon erwiderte dankbar die Umarmung. Auch Moon und Caspar drückten ihn fest an sich. Dann war es für den Jungen Zeit, mit den anderen weiterzuflüchten.
„Ganz bestimmt werde ich euch nie vergessen“, sagte er noch, dann rannte er hinter seinen Leuten tiefer und tiefer in den Wald hinein.
Die Freunde sahen ihm noch nachdenklich hinterher. Bis Caspar schließlich sagte: „Lasst uns den Seelensammler vorbereiten!“
Simon versuchte, sich zu befreien, doch der Wachmann hatte seine Hand fest um Simons Arm geschlungen. „Du wirst mir jetzt einiges erklären“, sagte er und zog Simon zu sich heran.
Simon sah nur noch einen Ausweg. Blitzschnell ließ er eine Hand vorschießen und stach mit einem Finger dem Mann direkt in ein Auge.
Der schrie auf, ließ Simon los und hielt sich beide Hände vor das Gesicht. „Ah, du verfluchter Teufel!“
Simon tat es beinahe leid, ihn so verletzt zu haben, doch er nutzte die Schrecksekunde, um erneut zu fliehen. Er rannte der Wache davon, und der Mann ließ ihn laufen. Fluchend und schimpfend stand er auf dem Feld und hielt sich sein Auge.
Jetzt endlich konnte Simon der Meute folgen. Wie er Neferti innerhalb dieser Menschenmenge erreichen sollte, das wusste Simon nicht. Auch nicht, wie er ihr beistehen könnte. Erst einmal war es wichtig, in ihre Nähe zu gelangen.
Beim Anblick all dieser rennenden Menschen fiel Simon wieder Adams Vergleich einer aufgebrachten Meute mit einem rasenden Tier ein, und er dachte nur: Wie Schafe. Die Menschen hier rennen wie Schafe gedankenlos
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