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Der zeitlose Winter

Der zeitlose Winter

Titel: Der zeitlose Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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bleischwer vom Namen jenes Mannes, der die Grundfesten der Ewigkeit selbst erschüttert hatte.
    »Sein Name war Bragi – Bragi Boddason.«

 
KAPITEL FÜNF
Hinky Dinky Pare-vu
     
    Das Abwarten gehörte nicht zu Kapitän Pickerings besonderen Stärken, und jeder an Bord der La Lechera hätte bereitwillig zugegeben, dass Pickering und Geduld eine so unwahrscheinliche Kombination war wie Essig in einer Bowle. Es war der Situation wenig förderlich, dass Pickering unmittelbar nach Einsetzen des Frostes eine heftige Migräne bekam. Man konnte seinen Weg durch das Schiff nachvollziehen, indem man der Kakophonie aus Jammern und Schreien jener Crewmitglieder folgte, die das Pech hatten, ihm über den Weg zu laufen. Als es Mittag wurde, das Funkgerät immer noch außer Betrieb war und es kein Anzeichen dafür gab, dass sich das Wetter zum Besseren wenden würde, hatte der Kapitän genug. Er rief seine Mannschaft und die Band zusammen, um über ihr weiteres Vorgehen zu beraten.
    »Ihr wisst alle, wie tief wir in der Tinte sitzen«, begann er. »Irgendwelche Vorschläge?«
    »Wir sollten verdammt nochmal von dem Ozean runter«, sagte Butch.
    »Das wollte ich vorschlagen!«, beschwerte sich Farnham. »Trotzdem, er hat Recht, Kapitän. Wir können nicht abwarten, bis es vorbei ist.«
    »Wenn wir nicht auf Tauwetter warten wollen«, begann Butch, »und es keine Möglichkeit gibt, irgendjemandem mitzuteilen, dass wir in Not sind, dann werden wir darüber nachdenken müssen, zu Fuß zu gehen.«
    »Bist du verrückt?«, gab Farnham zurück. »Kein Mensch kann so weit laufen.«
    »Wir sind eine Blues-Band«, sagte Butch. »Wir tun, was wir tun müssen.«
    »Mr. Farnham!«, bellte Pickering. »Wie weit ist es bis zur Küste?«
    »Meiner günstigsten Schätzung nach? Wir sind mindestens sechshundertfünfzig Kilometer vom Festland entfernt.«
    Pickering warf über die Schulter einen Blick zu Fischmehl.
    »Ziemlich gut geschätzt«, sagte der Junge und nickte. »Sechshundertneunundfünfzig Kilometer, plus oder minus einundzwanzig Meter, je nachdem ob man sich vorn oder achtern befindet.«
    »Wäre es mit den Vorräten, die wir an Bord haben, möglich, eine Landexpedition auf die Beine zu stellen?«, fragte der Kapitän. »Um zu Fuß zum Festland zu gelangen?«
    »Möglicherweise«, antwortete Farnham. »Wir könnten ein paar provisorische Schlitten bauen – schließlich mangelt es uns nicht an Tieren, die sie ziehen könnten.«
    »Spinnst du?«, fragte Butch überrascht. »Das sind Milchkühe, keine Lasttiere, du Trottel. Wenn zwei von denen einen Schlitten ziehen sollen, würdest du keine fünfhundert Meter weit kommen.«
    »Ach was«, warf George ein. »Das sind ziemlich kräftige Kühe – ich wette, sie könnten locker tausend Meter zurücklegen.«
    »Die Wette gilt«, sagte Butch. »Ich bin dafür, dass wir dem Trottel zwei Kühe geben.«
    »Hey«, sagte Farnham, »wer ist erster Maat auf diesem Schiff - ich oder dieser Harmonikaspieler?«
    »Du meinst dem Namen nach? Oder geht es darum, wer die Arbeit wirklich macht?«, fragte Pickering scharf. »Egal. Lasttiere hin oder her, ich finde nicht, dass wir eine Wahl hätten. Abgesehen von Rauchzeichen haben wir keine Möglichkeit, jemandem irgendwo eine Nachricht zu senden. Und selbst wenn wir es könnten, steckt er wahrscheinlich in der gleichen Klemme wie wir. Ob es uns gefällt oder nicht.« Er nickte dem ersten Maat kurz zu. »Ich glaube, der Plan dieses Trottels ist die einzige Chance, die uns bleibt.«
    »Vielen Dank«, sagte Farnham und grinste dem Mundharmonikaspieler höhnisch zu.
    »Leck mich«, sagte Butch.
     

     
    Einige Stunden später machte sich Farnham mit einem sechs Meter langen Schlitten, den sie aus Teilen der inneren Bordwand und der Reling gebaut hatten, auf den Weg in Richtung der europäischen Küste. Der Schlitten war mit genügend Fleisch und Frischwasser für mindestens einen Monat beladen und mit Stroh aus dem Frachtraum isoliert, das den ersten Maat und die drei Mitglieder der Mannschaft, die Pickering als ›Freiwillige‹ auf die Reise geschickt hatte, unterwegs vor dem Erfrieren bewahren sollte. Außerdem nahmen sie das Funkgerät des Schiffes mit, für den Fall, dass es in der Nähe anderer Sender wieder funktionstüchtig werden sollte. Das Ganze wurde von vier äußerst verblüfften Kühen gezogen, die nach Farnhams Erwartung fünfundzwanzig Kilometer am Tag zurücklegen würden, möglicherweise sogar dreißig. Die tropfnasse, aber hoffnungsvolle

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