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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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fühlte sich immer um einen Genuss betrogen, auch wenn die Frau noch so hübsch und sexy war … sie hatte ihn getäuscht und belogen, noch ehe sie mit ihm zusammen im Bett war. Da war ihm ein ganz normaler BH doch tausendmal lieber.
    Delvaux sah mit einem lautlosen Seufzen an ihr hinunter und betrachtete die schlanken Beine, die sie heute in einer sandfarbenen Cargo-Hose versteckt hatte, doch auch das konnte seine Fantasie nicht stoppen. Genüsslich erinnerte er sich an den ersten Tag, als er Karen geholfen hatte, die verstreuten Lebensmittel vor der Tür aufzusammeln und sie in die Küche zu tragen und wie Karen dann in Shorts am Schrank gestanden hatte …
    Zögernd stand er an der Tür zum Flur und versuchte sich zu erinnern, was er gerade holen wollte. Ach ja, etwas zu trinken. Er fasste sich wieder und sagte zu Karen: »Es sind nicht viele Fotos, aber die Details sind sehr interessant. Und einige sind auch sehr überraschend, Sie werden sehen.«
    Er verschwand in die Küche und kam dann mit einer Mineralwasserflasche und zwei Gläsern zurück, die er vor Karen hinstellte. Er wollte sich neben ihr auf das Sofa setzen, als er plötzlich zögerte und sie nachdenklich von der Seite betrachtete.
    Karen bemerkte seinen fragenden Blick. »Was ist los, Simon? Habe ich einen Fleck auf der Bluse oder eine dicke Spinne im Haar?«
    Delvaux’ Mundwinkel zuckten. »Nein, es ist nichts«, antwortete er. »Es ist nur … so wie Sie dasitzen und wie Sie gerade eben … Sie erinnern mich irgendwie an jemanden, aber ich komme im Moment nicht darauf, an wen.«
    In Karens Kopf läutete eine leise Alarmglocke, aber sie ignorierte sie. »Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass ich Sie an Ihre Mutter erinnere, Simon.«
    Delvaux lachte prustend. »Nein, bei Gott, nein. Ich leide nicht unter dem Norman-Bates-Syndrom, falls Sie das meinen.« Mit einem breiten Grinsen setzte er sich neben sie und füllte die Gläser mit Mineralwasser.
    Karen griff nach ihrem Glas und nahm einen Schluck, der herrlich erfrischend war, während Delvaux das alte Album behutsam öffnete. Der Einband wirkte äußerst zerbrechlich und war schon teilweise eingerissen, sodass er die einzelnen Seiten vorsichtig mit den Fingerspitzen berührte und umdrehte.
    »Hier, schauen Sie sich mal dieses Foto an. Es zeigt das alte Kastri, so wie Lord Byron es wohl auch gesehen hat, bevor die Ausgräber mit ihrer Arbeit begannen.«
    Karen bekam große Augen, als sie das vergilbte Schwarzweißfoto sah. »Um Himmels willen, da ist von Delphi ja gar nichts zu erkennen!«, rief sie erstaunt, während sie das Foto betrachtete, auf dem viele leere Steinhäuser auf einem Berghang standen. Die Menschen schienen schon evakuiert zu sein, denn die Fenster waren leer und dunkel. Es hingen dort keine Gardinen mehr, und da waren auch keine Blumenkästen, wie sie es in Arachova gesehen hatte. In der linken Ecke unten war die Straße zu erkennen, die es heute noch gab, und hinter den Häusern bemerkte Karen die Bergkuppel, um die man heute herumfuhr, um zum Ort Delphi zu gelangen. Der gesamte Hügel vor der Bergkuppel war heute abgetragen, und die Häuser waren verschwunden. »Der Tempel war von den Erdmassen ja völlig verschluckt«, sagte sie entsetzt. »Kein Delphi mehr vorhanden.« Dass der Ort des Orakels so völlig verschwunden war, schockte sie zutiefst.
    Delvaux sah, wie sich ein leichter grauer Schleier auf ihre grünen Augen legte und ihr strahlendes Gesicht sich verdunkelte. Warum schmerzte sie dieser Anblick so sehr? Er hingegen fand das Foto faszinierend. »Es ist unglaublich, nicht wahr? Aber die Bewohner von Kastri wussten ja nicht, dass unter ihnen heiliger Boden lag. In einem ihrer Gärten war zwar eine Marmorstufe aus dem Amphitheater zu sehen, aber woher die kam und warum sie dort lag, darüber machte sich keiner Gedanken. Sie war halt da, und die Alten sagten, dass sie dort schon immer gelegen habe, also war es wohl in Ordnung, sie dort zu belassen.
    Erst als Schliemann in Troja und Mykene mit seinen Ausgrabungen begann und wunderbare Schätze ans Tageslicht holte, suchte man auch nach dem alten Delphi. Aber es dauerte lange, bis man merkte, dass das Orakel unter diesen Häusern begraben war.« Delvaux zeigte auf das alte Foto. »Und dann musste das gesamte Dorf umgesiedelt werden. Über dreihundert Einwohner. Sie können sich wohl vorstellen, dass sie über diese Zwangsumsiedlung nicht besonders glücklich waren. Sie erhielten zwar eine geldliche Entschädigung, und einige

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