Der Zirkel Des Daemons
Mauer. Es war ruhig und wurde schon langsam dunkler, als sie mit dem Wagen dort einbogen. Unglücklicherweise bestrahlten die Autoscheinwerfer in aller Klarheit Maes Kleidung.
»Oh mein Gott«, sagte Nick und schloss die Augen.
Jamie stieß ein kleines, nervöses Lachen aus.
»Was ist?«, wollte Mae wissen. »Alan sagte uns, dass wir uns so anziehen sollen, wie wir wirklich sind.«
Das verrückte Mädchen trug ein pinkfarbenes Crashtop aus Seide und einen langen weißen Rock mit Rüschen und Fransen. Jeder Zentimeter von ihrer nackten Haut war mit Metall behängt. Sie trug Fußkettchen an den Knöcheln, eine Armee aus schimmernden Reifen an beiden Armen, und sie war beladen mit Halsketten. Sie erinnerten Nick an die Amulette, die seine Mutter trug, ein metallisches Gewirr aus Schnüren und Ketten, die sich mit den Jahren untrennbar ineinander verwickelt hatten.
»Und du denkst also, dass du in Wahrheit ein Weihnachtsbaum mit zu viel Lametta bist.« Nick grinste. »Aha.«
»Hör auf damit«, sagte Alan und errötete dann. »Ich finde, du siehst hübsch aus, Mae.«
Das plötzliche Lächeln, das Mae Alan zuwarf, war süß und unerwartet zugleich. Alan lächelte hilflos zurück und Nick überdachte diese neue Entwicklung. Wenn Mae nun anfing, Alan anzulächeln, versank sein Bruder womöglich noch tiefer in die Abgründe der Vernarrtheit. Andererseits hatte das Mädchen ein nettes Lächeln, Alan schien glücklich zu sein und außerdem würden sie bald beim Jahrmarkt der Kobolde sein. Alans Mal würde verschwinden und mit ihm Nicks beunruhigendes Gefühl, dass die Welt aus den Fugen geraten war.
So langsam betrachtete er diesen Trip mit freundlicheren Augen.
Sie ließen Exeter hinter sich und fuhren durch die engen, holprigen Straßen nach Tiverton. Alans Mund wurde schmal, wenn sie durch ein Schlagloch oder über eine Bodenwelle fuhren, und Nick, der am Steuer saß, war fast froh darüber, als die Touristen auf dem Rücksitz anfingen, Fragen zu stellen.
Jamie hüstelte. »Das ist vielleicht eine dumme Frage, aber gibt es … ähm, gibt es Kobolde auf dem Jahrmarkt der Kobolde?«
»Nein«, sagte Nick. »Auf dem Markt gibt es nur Menschen, genau wie du einer bist.«
»Genau wie ich«, wiederholte Jamie skeptisch.
»Nur klüger«, fügte Nick hinzu.
»Der Name stammt aus einem Gedicht«, erklärte Alan. »In dem Gedicht werden magische Früchte erwähnt, die auf dem Markt verkauft werden. Wir haben auch magische Früchte, nur verkaufen wir sie nicht.«
»Magische Früchte? So was wie … Zauberzitronen? Was macht ihr denn damit?«
Nick warf Jamie über die Schulter hinweg einen kalten Blick zu. »Das wirst du schon sehen.«
Jamie wandte sich mit seiner nächsten Frage betont an Alan. »Warum findet der Jahrmarkt der Kobolde in Tiverton statt? Das ist doch bloß ein winziges Kaff.«
Alan stützte sich auf das Armaturenbrett, als ob es ein Pult wäre. Nick wusste, dass Alan gerne ein Professor geworden wäre oder so etwas Ähnliches und dass er es auch geschafft hätte, wäre da nicht seine Mutter gewesen.
»Tiverton bedeutet ›Die Stadt der zwei Furten‹. Hier treffen sich zwei Flüsse - der Fluss Exe und der Lowman River - und das heißt, dass dieser Ort sicher ist. Hier haben wir keinen Angriff zu befürchten, weil besessene Körper nicht gerne fließendes Wasser überqueren.«
Natürlich wurde der Jahrmarkt der Kobolde nicht im Stadtzentrum veranstaltet. Die Leute hätten womöglich angefangen, Fragen zu stellen angesichts der merkwürdigen Amulette und der unheimlichen Beschwörungszeremonien.
Der Markt war in den Shrink Hills aufgebaut, hinter der Ruine von Cranmore Castle. Nick und Alan waren schon einmal hier gewesen, vor neun Jahren, ebenfalls auf einem Jahrmarkt der Kobolde. Nick hatte schon einmal in diesen Hügeln getanzt. Es war sein zweiter Jahrmarkt gewesen und der letzte ihres Vaters.
»Es soll Glück bringen, wenn der Jahrmarkt an einem Ort abgehalten wird, der einiges an Geschichte aufzuweisen
hat«, erklärte Alan eifrig. »Das ist eines der Mottos des Jahrmarkts - Unsere Welt, einzig den Menschen verbunden . Dort wo jetzt Cranmore Castle steht, war in der Eisenzeit eine Hügelfestung, und 1549 wurde eine Schlacht der Prayerbook-Rebellion hier ausgefochten. Auslöser für den Kampf war die Frage, ob ein Kind nach der alten Religion getauft werden sollte oder nach der neuen.«
»Wer hat gewonnen?«, fragte Mae.
»Wen kümmert’s?«, gab Nick zurück. »Wichtig ist doch nur, dass
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