Der Zirkel Des Daemons
vergeblich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken. »Ist sie seine Tochter?«
»Oh nein, meine Liebe«, sagte Merris sachlich. »Der Mann ist jung. Sein Körper zerfleischt sich selbst bei dem Versuch, gegen den Dämon anzukämpfen. Vor einer Woche hat er noch nicht so ausgesehen. Sie ist seine Frau.«
Der Dämon, der wie Thomas aussah, lächelte seine Frau an. Dann schoss seine Zunge aus dem Mund und leckte den anderen Käfer auf, der vorher sein Auge gewesen war. Er zog die Zunge zurück und zerbiss den
Käfer mit einem ekelhaften Knirschen. Er grinste weiter und die Frau würgte.
»Er versucht nur, ihr Angst einzujagen«, sagte Merris. Ihre Stimme klang immer noch nüchtern und desinteressiert. »Ein Dämon wird alles unternehmen, um einen Menschen zu manipulieren. Aber keine Sorge. Sie wird sich nicht zum Narren halten lassen.«
Ruth legte die Hand über den Mund und fing an zu weinen.
Nick hätte erwartet, dass es Jamie sein würde, der den Anblick nicht ertrug. Aber es war Alan.
Gerade eben noch hatte er neben Nick gestanden, so still und erstarrt wie immer, wenn er aufgewühlt war und sich in sich selbst zurückzog. In diesen Momenten hatte er sich jedoch immer unter Kontrolle. Aber jetzt wirbelte er herum und humpelte so schnell er konnte den Korridor entlang, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, weg von den Eisentüren, hinter denen die Dämonen steckten.
Nick hätte auf Alan achten sollen. Er hätte dafür sorgen müssen, dass Alan sich nicht aufregte. Normalerweise konnte Alan eine Menge verdauen, aber jetzt lagen die Dinge anders. Alan trug ein Dämonenmal der zweiten Stufe am Leib. Alan dachte über seine Zukunft nach.
Nick überlegte kurz, ob er Mae Gelegenheit geben sollte, Alan zu folgen. Das würde Alan gefallen, dachte er, aber Mae machte keine Anstalten. Nick schaute sie an und sah, dass sie nah bei Jamie stand. Sie hatte die Füße leicht gespreizt und stand da, als ob sie mit jemandem
ringen wollte. In ihrem Gesicht standen Wut und Sorge. Sie würde ihren Bruder jetzt nicht allein lassen.
Nick hatte nichts dagegen. Auch er wollte seinen Bruder nicht allein lassen.
»Kommt uns nicht nach«, sagte er knapp und rannte dann hinter Alan her.
Mae war vermutlich besser geeignet, um seinen Bruder zu trösten. Das Gleiche galt für Jamie. Nick hatte nicht die geringste Ahnung, wie er es anstellen sollte, aber Alan war schließlich sein Bruder und nicht der von jemand anderem. Er würde sich etwas einfallen lassen.
Er fand Alan in einer Toilette, wo er sich über das Waschbecken beugte. Er war blass und sah so aus, als müsste er sich gleich übergeben. Das Wasser lief und Alan benetzte sich mit hastigen Bewegungen das Gesicht. Er schaute hoch und sah Nick im Spiegel hinter sich stehen. Ebenfalls in den Spiegel blickend, registrierte Nick kurz sein eigenes, ungerührtes Gesicht. Dann schaute er in Alans Augen, die einen fast ängstlichen Ausdruck angenommen hatten.
»Alan«, sagte er rau.
Alan schloss die Augen. »Was?«
Behutsam näherte sich Nick. Er wünschte sich, dass dies genauso einfach wäre wie das Anpirschen an ein Opfer, das er zu töten gedachte. »Alles in Ordnung?«
Er fragte sich, ob die Menschen überhaupt bemerkten, wie oft sie nur in halben, unvollständigen Sätzen sprachen, die noch dazu oft völlig überflüssig waren. Alan zitterte und hatte Angst, also war nichts in Ordnung, aber
Nick musste die Frage stellen, denn das tat man nun einmal, egal wie dumm die Worte klangen, die man in solchen Situationen üblicherweise wählte. Nick hatte einfach keine eigenen.
»Es wird schon gehen«, sagte Alan, der in letzter Zeit ziemlich viele Lügen erzählte.
Unter Alans Augen lagen dunkle Schatten und um seinen Mund hatten sich tiefe Falten gegraben. Er war viel blasser als noch vor einer Woche. Nick musste an den Dämon denken, den sie gerade gesehen hatten und der in einem Körper steckte, der noch letzte Woche jung gewesen war.
»Nicht doch«, sagte er und räusperte sich. »Du musst keine Angst haben.« Er musste jedes Wort aus sich herausziehen. »Dir wird nichts passieren. Das lasse ich nicht zu.«
»Darum geht es nicht«, sagte Alan, aber seine Schultern entspannten sich merklich.
Diese Geste ermutigte Nick, noch näher zu ihm zu treten, aber als er neben seinem Bruder stand, wusste er nicht, was er machen sollte. In solchen Dingen war Alan gut; er fuhr einem immer spielerisch durch die Haare oder klopfte einem auf die Schulter. Das waren
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