Der Zirkel Des Daemons
es Nick gelingen, Alan zu beschützen. Dann würde er die Markierung entfernen können.
Aber er kannte Alan. Und Merris kannte ihn offenbar nicht.
»Ich möchte dir einen guten Rat geben, Merris«, sagte Alan, und seine Stimme war noch kälter, als ihre es gewesen war. »Sage so etwas nie wieder in meiner Gegenwart!«
Merris’ Stimme war nur noch ein Zischen. »Raus aus meinem Haus!«
»Nein«, sagte Alan. »Erst will ich, dass du für uns ein neues Haus beschaffst.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Weil ich immer noch einen guten Draht zum Jahrmarkt habe«, gab Alan zurück. »Du magst deine Geschichten über mich verbreiten, und hier und da wird man dir Glauben schenken, aber ich bin der liebe, brave Junge, den jeder mag. Du bist das Rätsel. Niemand weiß, woher du dein Geld hast, und ich glaube nicht, dass es den Leuten gefallen würde, wenn ich ihnen erzähle, dass du es den hilflosen Opfern der Magier aus der Tasche ziehst und es benutzt, um deine Machtposition auf dem Markt zu stärken. Denn so werde ich es darstellen, Merris. Und
die Leute werden mir glauben. Ich kann die Menschen dazu bringen, dass sie mir vertrauen. Du solltest das wissen: Dich habe ich auch dazu gebracht.«
»Und ich bereue es zutiefst, das kannst du mir glauben«, zischte Merris. Dann nahm ihre Stimme wieder einen geschäftsmäßigen, kühlen Ton an. »Ein Haus ist der Preis für dein Schweigen? Also gut. Du und die Deinen werden das Mezentius-Haus bei Sonnenaufgang verlassen haben. Und es wäre besser für dich, wenn du dich an deinen Teil unserer Abmachung halten würdest. Andernfalls lasse ich dich umbringen.«
»Einverstanden«, sagte Alan in dem gleichen sachlichnüchternen Ton. Dann wurde seine Stimme weicher. »Es tut mir leid, dass ich das tun muss.«
In Merris’ Stimme lag kein Entgegenkommen. »Du musst es nicht tun. Du solltest aufgeben.«
»Tut mir leid«, sagte Alan entschieden, »aber ich werde nicht aufgeben. Und wenn du mir nicht helfen kannst, Merris, dann sieh zu, dass du mir nicht in die Quere kommst.«
Unter anderen Umständen hätte Nick die Situation komisch gefunden. Sein Bruder erpresste Merris, die Anführerin des Jahrmarkts der Kobolde, ohne mit der Wimper zu zucken. Nick wäre stolz auf ihn gewesen. Allerdings bewies diese Beharrlichkeit auch, wie viel ihre Mutter Alan bedeutete.
Ihre Mutter und Marie, das Mädchen auf dem Foto. Alan hatte ihm nicht verraten, wie er gedachte, ihre Mutter zu retten, und er hatte ihm nicht einmal etwas von
Maries Existenz erzählt. Alan würde ihm nichts anvertrauen, aber das machte nichts. Nick würde die Wahrheit auch ohne ihn herausfinden.
Er ging weg von der Tür, zurück zu Mae und Jamie. Im Gehen zog er das Handy aus der Hosentasche und drückte die Rückruftaste.
Die gleiche Frauenstimme meldete sich, atemlos und nervös: »Hallo?«
»Kann ich zu Ihnen kommen?«, fragte Nick knapp. »Ich weiß, wo Alan ist. Ich werde Ihnen alles über ihn erzählen. Geben Sie mir Ihre Adresse.«
Alans erpresserischer Handel verlief äußerst erfolgreich, denn Merris besorgte ihnen nicht nur ein neues Haus in London, sondern stellte ihnen auch für die Rückreise ihr eigenes Boot zur Verfügung und gab Nick Kräuter, damit er die Bootsfahrt verschlief.
»Wie aufmerksam von ihr«, sagte Nick auf dem Anlegeplatz. »Ich bin tief gerührt.«
Die anderen standen in der Kälte eng beieinander. Der Morgen dämmerte noch nicht und die Seeluft schlug Nick mit Eisfingern ins Gesicht.
Alan hielt die Hand seiner Mutter. Sie wirkte benommen von dem, was Merris auch ihr zur Beruhigung verabreicht hatte, und lehnte sich gegen Alan. Der lange schwarze Schleier ihrer Haare verfing sich im Wind, flog hoch und senkte sich über beide nieder. Alan beobachtete Nick, und sein Gesicht, das alles andere so gut verbarg, war ehrlich verwirrt und gekränkt.
Nick stand so weit von den anderen entfernt, wie er konnte, ohne dabei ins Meer zu fallen.
»Auf dem Boot gibt es eine Kabine, in der du schlafen kannst«, erklärte ihm Alan vorsichtig. »Ich bleibe bei dir, falls du Hilfe brauchst.«
»Ich brauche deine Hilfe nicht«, sagte Nick kurz angebunden.
Der Anblick und der Geruch des Meeres verursachten ihm bereits leichte Übelkeit. Zusätzlich brachte die Aussicht auf die Erniedrigung, die ihm bevorstand - nämlich erneut gänzlich hilflos zu sein -, sein Inneres zum Brodeln. Das Brausen des Windes war wie die gefrierenden Schreie von hundert rasenden Gespenstern. Die Anwesenheit
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