Der Zirkus der Abenteur
Sollen wir dem Boß etwas sagen?«
»Nein, noch nicht«, erwiderte Pedro. »Auch wenn die Kinder hier sind, wollen wir ihm nur das Notwendigste er-zählen. Nichts von dem Prinzen, sondern nur, daß wir einen Freund von Jack geholt haben, der die Bären beruhigen wird. Was wir von den anderen Kindern sagen, wird sich schon finden. Darüber brauchen wir uns jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen.«
Toni und Bingo verabschiedeten sich und gingen, in ei-ne lebhafte Unterhaltung vertieft, zu ihrem Wagen zurück.
Sie freuten sich auf das bevorstehende Abenteuer. Das war so richtig etwas nach ihrem Herzen.
Am nächsten Tag war Jack voller Unruhe. Immer wieder dachte er daran, was Toni vorhatte. Würde auch alles gut abgehen? Würde Lucy nicht Angst haben, sich auf das Trapez zu setzen? Und Gussel? Ihm würden die Haare zu Berge stehen. Aber einen besseren Weg zur Flucht gab es nicht. Ja, gab es überhaupt einen anderen?
Die Zirkusvorstellung begann pünktlich wie immer.
Wieder gab es Beschwerden beim Publikum, weil die Bärennummer ausfiel. Fank versuchte aufzustehen, aber es ging beim besten Willen nicht. Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Als die Bären Beifall und Gelächter aus dem Zirkuszelt hörten, wurden sie noch unruhiger.
Sie hatten den ganzen Tag über niemand in ihren Käfig gelassen. Einige beherzte Schausteller hatten hastig etwas Fleisch zwischen die Stäbe gesteckt. Aber die Tiere rührten es überhaupt nicht an. Sie trotteten mit gesenkten Köpfen in ihrem Käfig hin und her und brummten böse.
Als die Vorstellung zu Ende war, strömte das Publikum lachend und schwatzend nach Borken zurück. Jack und Pedro hoben die herumliegenden Papiere auf, rückten die Bänke gerade und fegten die Manege aus.
»Heute nacht«, flüsterte Pedro, als er an Jack vorbei-kam. »Ich sah, wie Toni ein Trapez mitnahm. Er will wohl die Stricke verkürzen, damit es nicht zu sehr schaukelt.«
Gleich nach dem Abendessen, das schweigend einge-nommen wurde, stand Ma gähnend auf. »Zu Bett!« sagte sie und kletterte ächzend in ihren Wohnwagen. Die beiden Jungens gingen in Pedros Wagen und warteten dort auf die beiden Akrobaten.
Nach kurzer Zeit wurde leise an die Tür geklopft. Pedro öffnete. Draußen standen Toni und Bingo. »Kommt, wir sind fertig.« Die Jungens schlüpften wie Schatten aus dem Wagen, und dann stiegen alle vier langsam den Berg hinauf. Die Burg ragte finster und drohend vor ihnen empor, als steckte sie voll düsterer Geheimnisse.
Toni hatte den Glockenturm bereits am Vormittag gründlich untersucht. Als alle unten im Turm waren, knipste er seine Taschenlampe an. Jack sah, daß er das Trapez bei sich hatte, während Bingo das Drahtseil trug. Er blickte in die Höhe. Wie sollten sie nun zu der großen Glocke hinaufgelangen?
»Hier an der Mauer ist eine Leiter«, sagte Toni. »Ich werde zuerst gehen. Folgt mir nach.«
Flucht
Es war nicht schwer, die eisernen Sprossen hinaufzuklettern. Bald war Toni hoch oben. Aber Kiki war noch schneller als er. Triumphierend hockte er sich auf die große Glocke, die an einem dicken Balken hing. Als sie leise unter ihm erklang, flatterte er erschreckt wieder fort.
Toni lächelte und stieg vorsichtig weiter. Die anderen folgten ihm. Die eiserne Leiter führte bis zu einer vierek-kigen Luke, durch die man in einen runden Raum über der Glocke gelangte. Darin befanden sich vier große Bo-genfenster, nach jeder Himmelsrichtung eins.
Toni spähte aus dem Fenster, das gegenüber Philipps Zimmer lag. Abschätzend maß er die Entfernung mit den Augen. Auch Jack spähte hinüber. Der Zwischenraum zwischen den beiden Türmen erschien ihm furchtbar groß. Der Erdboden lag entsetzlich tief unter ihm. Schaudernd wandte er sich ab. War dieses Unternehmen nicht Wahnsinn?
Aber Toni und Bingo taten so, als wäre es die gewöhn-lichste Sache der Welt. Sie besprachen ihr Vorhaben sachlich und zweifelten offenbar nicht daran, daß es gelingen würde.
Nun sagte Toni etwas auf italienisch. »Toni ist startbe-reit«, übersetzte Pedro. »Wie können wir deine Freunde auf uns aufmerksam machen? Sie müssen helfen, das Seil zu befestigen.«
»Wir könnten mit einer Taschenlampe blinken — oder einen Eulenschrei ausstoßen. Dann wird Philipp rausguk-ken.«
»Versuchen wir die Eule«, schlug Toni vor. Jack legte die gewölbten Handflächen aneinander und blies kräftig durch die Daumen. Ein zitternder Schrei durchdrang die nächtliche Stille und dann noch einer.
Gespannt
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