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Der zögernde Schwertkämpfer

Der zögernde Schwertkämpfer

Titel: Der zögernde Schwertkämpfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
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zu ihm auf, von Kummer gepeinigt. Dann schloß er das rechte Auge und deutete auf sein Lid, wiederholte das gleiche mit dem linken Auge und blickte anschließend voller Verzweiflung Wallie an, der überhaupt nichts verstand.
    »Ich sagte: ›antworte mir‹, und ich meinte in Worten!« fuhr er ihn an.
    Einen Moment lang dachte er, sein Vasall würde sich weigern, den Befehl zu befolgen, doch er schluckte sichtbar und flüsterte dann: »Mein Vater ist Teppichknüpfer und meine Mutter Silberschmiedin.« Genausogut hätte er gestehen können, Inzest begangen zu haben oder sich mit Drogenschieberei zu beschäftigen.
    Vatermale? Jja hatte Vatermale erwähnt, und Wallie hatte nicht gewagt zu fragen, um was es sich dabei handelte. Der rätselhafte Reim des Gottes – Erst mußt du deinen Bruder … Wallie rannte sofort aufgebracht zum Spiegel und untersuchte seine Augenlider – wer betrachtete schon jemals die eigenen Lider?
    »Na und?« sagte Wallie. »Sind sie ehrliche Leute? Arbeiten sie schwer? Sind sie gut zu ihren Kindern?« Nnanji nickte. »Dann ehre sie! Was bedeutet es schon, welches Handwerk dein Vater ausübt, solang er ein anständiger Mensch ist?« Die kulturelle Kluft tat sich gähnend auf. Wallie setzte eben an zu sagen, daß sein Vater Polizist gewesen sei – und hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück. In seiner Erinnerung hallte das schrille Lachen nach, das der Halbgott von sich gegeben hatte, als er diese Bemerkung gemacht hatte. Vielleicht bedeutete das, daß der Halbgott dieses Gespräch vorausgeahnt hatte, denn die Übersetzung für Polizist wäre Schwertkämpfer, also bedeutete das keinen Trost für Nnanji.
    Wallie Smiths Großvater väterlicherseits hatte sich jedoch im Laufe einer recht zweifelhaften Karriere in verschiedenen Bereichen verdingt, unter anderem ein paar Jahre lang in einer Teppichfabrik.
    »Das ist allerdings ein merkwürdiger Zufall, Nnanji – mein Großvater war ebenfalls Teppichknüpfer.«
    Nnanji rang nach Luft. Wenn Heldenverehrung nach der Richterskala gemessen würde, dann hätte Wallie in diesem Augenblick neuneinhalb oder zehn registrieren können.
    »Aber was bedeutet das schon? Du bist mein Gefolgsmann, nicht dein Vater. Er versteht es offenbar vorzüglich, tapfere Söhne zu zeugen. Schade nur, daß sie keinen Verstand haben, du gehirnlose Mißgeburt!«
    In diesem Moment stürzte ein Heilkundiger geschäftig herein. Während er den Patienten untersuchte, huschte Wallie zurück in das Hauptgästezimmer und humpelte, so schnell er konnte, quer durch den Raum zum Spiegel. Seine beiden Augenlider wiesen keinerlei Zeichen auf, soviel also zu diesem Geistesblitz.
    Als er zurückging, machte er sich Gedanken über Nnanji. Seine übertriebene Empfindlichkeit hinsichtlich seiner Herkunft aus Nichtschwertkämpfer-Kreisen mochte eine Erklärung sein für seine hochgestochenen Ideale, was Ehre und Tapferkeit anging; Überkompensation, obwohl es einen solchen Ausdruck in dieser Welt nicht gab. Hier war offenkundig eine kleine Psychotherapie angebracht. Wenn es einem hundert Kilogramm schweren, glattgesichtigen Muskelpaket gelingen sollte, in die Rolle eines kultivierten, bärtigen Wiener Seelenarztes zu schlüpfen, dann war jetzt Zeit für Sigmund Freud. Nachdem also der Heilkundige dem unerschrockenen Lord Shonsu versichert hatte, daß seinem Schützling kein ernsthafter Schaden zugefügt worden war, sein Honorar entgegengenommen und sich entfernt hatte, wies Wallie das Opfer an, schön liegen zu bleiben, und nahm selber wieder auf dem Hocker neben dem Bett Platz.
    »Laß uns mal ein wenig über deine Schwierigkeiten mit dem Fechten sprechen«, sagte er. »Wann haben sie angefangen? Hattest du sie schon immer?«
    Aber nein, bestimmt nicht, beteuerte Nnanji, während er starr zur Decke blickte und wegen seiner geschwollenen Lippen mit Mühe sprach. Als blutiger Anfänger war der Novize Nnanji der Ersten Stufe das Musterbeispiel für einen guten Rekruten gewesen. Briu hatte ihn als begabtestes Naturtalent gelobt, das ihm je begegnet sei. Briu hatte gesagt, daß keiner die Sutras so schnell und so wortgetreu lernte. Briu hatte ihm bereits nach zwei Wochen erklärt, daß ihm nichts mehr fehle, um den Versuch einer Beförderung zu unternehmen – abgesehen von der Regel, die verlangte, daß Erststufler frühestens nach einem Jahr aufrücken konnten. Es geschah also am ersten Jahrestag seines Eintrittes in die Zunft, daß Nnanji sein Können als Schwertkämpfer im Wettstreit mit zwei

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