Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
bereits eingeweihten Kreise. Doch nun war ihm nicht irgendwer auf die Schliche gekommen, sondern der alte Fuchs persönlich. Davor hatte Larzanes ihn bereits gewarnt, und sie hatten gemeinsam ihre Strategie besprochen. Dennoch war es sowohl eine Ehre als auch eine nicht ungefährliche Störung, dass Sargan Vulpon Kamros zu sich eingeladen hatte.
Der Palast seines Gastgebers war ein Schmuckstück, dabei aber nicht protzig. Kamros bemerkte, als er nun durch den Innenhof von Sargans Anwesen geführt wurde, die edlen Materialien wohl, aber auch, dass der Reichtum subtiler zur Schau gestellt wurde als bei so manch anderem Emporkömmling. Er wusste die unterschwellige Botschaft durchaus zu verstehen; Sargan hatte es nicht nötig, seinen Wohlstand allzu offensichtlich zur Schau zu stellen, und er verstand es, auf dem schmalen Grat zwischen angemessen und übertrieben perfekt zu balancieren. Larzanes sagte, dass Sargan Vulpon ein gefährlicher Mann ist. Bei diesem Anblick wird dies umso deutlicher.
Der Sklave führte Kamros weiter, eine Stufe empor und durch einen Torbogen, in dem seidene Vorhänge leicht im Wind wehten.
»Du musst Kamros sein«, empfing der Gastgeber den Beamten mit einem breiten Lächeln. Sargan war ein kleiner Mann, etwas untersetzt, und man mochte kaum glauben, dass hinter dieser jovialen Maske der Freude jener
Verstand hauste, der all diesen Reichtum errungen hatte, der ihn nun umgab. Aber Kamros ermahnte sich noch einmal, diesen Umstand niemals zu vergessen. Andere Familien sind in den Wirren untergegangen, aber Sargan hat für die seinen sicher alle Klippen umschifft. Nicht nur das, er hat den Grundstein für eine Dynastie gelegt.
»Das bin ich. Und dazu bin ich von deiner Gastfreundschaft überwältigt, Sargan Vulpon. Dein Haus ist eine wahre Augenweide, und deine Einladung ist überaus großzügig und ehrt mich über die Maßen.«
»Deine Worte beschämen mich, Kamros. Meine bescheidenen Mittel werden ihnen nicht gerecht werden, und am Ende stehe ich als Aufschneider da«, entgegnete Sargan und hob die Hand, als Kamros ihm widersprechen wollte: »Nein, nein. Spare dir jedes Lob bis nach dem Mahl auf. Dann will ich es gern annehmen.«
»Wie du wünschst.«
Kamros neigte das Haupt einige Herzschläge länger, als es erforderlich gewesen wäre. Schon in diesem ersten Wortwechsel hatte Sargan die Konventionen sorgsam geändert, gerade genug, um die üblichen Floskeln wertlos werden zu lassen. Aus seiner vorgeblichen Situation der Schwäche heraus konnte er nun mit Stärke agieren, während seinem Gast diese Möglichkeit genommen wurde. Schon jetzt genoss Kamros das Geplänkel mehr als viele der letzten Zeit. Dafür bin ich Beamter geworden. Um meinen Geist mit Leuten wie Sargan Vulpon zu messen.
»Komm bitte. Ich habe auf der Terrasse anrichten lassen. An klaren Tagen wie heute hat man von ihr einen guten Blick auf die Stadt.«
Wortlos folgte Kamros seinem Gastgeber. Das Innere des Palasts war nicht minder geschmackvoll eingerichtet als der Hof. Es herrschte eine besondere Zurückhaltung vor, welche die Kostbarkeiten nur umso mehr betonte.
Sie gelangten durch ein langgestrecktes Zimmer zu einem
weiteren Torbogen, der sie hinaus auf die Terrasse führte. Die Aussicht war tatsächlich beeindruckend, aber Kamros’ erster Blick galt der Tafel und den Sklaven, die dienstbeflissen in der Nähe standen. Der niedrige Tisch war reich gedeckt, genauso, wie der Beamte es erwartet hatte. Schon wollte er innerlich ein wenig feixen, da er glaubte, Sargans Spiel von Zurschaustellung und Bescheidenheit durchschaut zu haben, da trat eine junge Frau aus dem Schatten der gespannten Tücher. Sie war erlesen gekleidet; ihr Kypassis war von einem dunklen Rot, abgesetzt mit goldenen Stickereien. Dazu war sie dezent geschminkt, und ihre Augen waren züchtig gesenkt.
»Ah, das ist meine Tochter Artaynis. Sie wird uns bei unserem Mahl Gesellschaft leisten.«
»Ich freue mich, dich kennenlernen zu dürfen, Kamros«, erklärte sie mit ausgesuchter Höflichkeit. »Dein Besuch ehrt und schmückt das Haus meines Vaters.«
»Die Ehre liegt ganz bei mir. Doch welches Haus bedürfte noch des Schmucks, wenn solch eine erhabene Schönheit unter seinem Dach lebt?«
Die Worte flossen leicht über Kamros’ Lippen, auch wenn sein Geist fieberhaft versuchte, sich an die neue Situation anzupassen. Dass eine Tochter des Gastgebers dem Essen beiwohnte, war mehr als ungewöhnlich, aber natürlich kein Bruch der Tradition. Was
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