Der Zorn Des Skorpions
ihnen ebenfalls ein aussichtsloses Unterfangen. Vielleicht gab es jemandem, der Kenntnis vom Stand der Ermittlungen hatte, einfach einen Kick, Manny Douglas falsche Botschaften zuzuschicken. Doch er verwarf diesen Gedanken schnell wieder, er war nur aus der Verzweiflung geboren.
Die Botschaften waren echt. Grayson konnte sich nur noch an die Hoffnung klammern, dass diese Botschaften vorzeitig – vor den Morden – ausgegeben worden waren oder dass der Mörder versuchte, sie in die Irre zu führen, um das Büro des Sheriffs zu kompromittieren.
Aber Sarah Norman und Elyssa O’Leary werden vermisst.
Die Tatsache blieb bestehen. Gott schütze sie.
»Los, Junge«, sagte er, schüttelte die Drangsale seines Berufs ab und pfiff nach Sturgis. Der schwarze Labrador sprang aus dem Jeep und passierte an Graysons Seite schwanzwedelnd eine Gruppe von unverbesserlichen Rauchern, die vorm Haupteingang zur Wache Wind und Kälte trotzten.
Er zog Handschuhe und Jacke aus und setzte den Hut ab, denn im Büro war es brüllend heiß; der Thermostat zeigte fast 26 Grad. »Hier ist es ja wie in einem Backofen.«
»Schau mich nicht so an«, sagte Joelle. Ihr Gesicht sah hochrot aus, Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. »Ich habe den Reparaturdienst angerufen, aber Rod ist nicht sicher, ob er an Heiligabend jemanden findet.« Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu. »Ich weiß nicht, was ich sonst noch tun kann.«
»Lass nur.« Er hatte wichtigere Dinge im Kopf. Die Hitze war auch egal. Er warf seine Jacke auf einen Besucherstuhl, und Sturgis suchte sein Körbchen auf. Noch bevor Grayson seinen Platz am Schreibtisch einnehmen konnte, klingelte sein Handy.
Stephanie Chandlers Nummer erschien auf dem Display. Grayson wunderte sich, den sie hatten erst vor kurzem telefoniert, als er ihr über Manny Douglas’ Besuch und die Botschaften berichten wollte, die der Reporter vom Unglücksstern-Mörder erhalten hatte.
»Grayson«, meldete er sich.
»Halden und ich sind auf dem Weg zurück nach Montana, aber ich dachte, ich sollte Sie lieber vorwarnen«, sagte die FBI -Agentin. Die Verbindung war schwach; es klang, als hielte Chandler sich bei heftigem Sturm draußen auf. »Hubert Long ist heute Morgen gestorben.«
»Eines natürlichen Todes?« Das vermutete er, aber wer konnte es schon wissen? Vielleicht konnte irgendwer es nicht mehr abwarten und hatte nachgeholfen. Dieselbe Person womöglich, die Huberts einzigen Sohn umgebracht hatte.
»Ja. Kurz nach Mitternacht ist er ins Koma gefallen, und dann versagten seine Organe nach und nach. Nichts Verdächtiges. Aber wir haben bereits einen Agenten im Büro in Seattle abgestellt, der wegen des Mordes an ihrem Bruder Kontakt zu Padgett aufnehmen soll.«
»Alvarez hat wegen Brady bereits mit Padgetts Ärztin gesprochen«, meldete Grayson.
»Nun, wenn Padgett die Information bereits erhalten hat, kriegt sie sie von uns nicht mehr, denn sie hat sich selbst aus der Pflegeeinrichtung entlassen und nimmt den nächsten Flug nach San Francisco.«
»Wie bitte?«
»Ich weiß. Es ist sonderbar. Das Pflegepersonal war ebenfalls sehr verblüfft. Unser Agent hat bereits einen Termin mit der behandelnden Ärztin ausgemacht. Er wird schon bald dort sein.«
»Ich dachte, sie könnte nicht sprechen, sich kaum eigenständig anziehen.«
»Ich weiß nicht. Wir erfahren sicher mehr, wenn unser Agent in Mountain View war. Wahrscheinlich veranstaltet man ein großes Theater wegen der ärztlichen Schweigepflicht und so weiter, aber wir haben eine gerichtliche Anordnung. – Okay, die Maschine landet gleich. Ich rufe an, wenn wir ausgecheckt haben.«
Grayson legte auf und hatte dieses merkwürdige Gefühl, das ihn immer überkam, wenn sich ihm kein Sinn erschloss, wenn der Zufall zur Regel wurde. Unwillkürlich musste er über Hubert Longs Tod nachgrübeln. Wäre der alte Mann wie erwartet vor Brady gestorben, hätte der Jüngere den Löwenanteil vom Vermögen des Alten geerbt. Padgett wäre versorgt gewesen, ja, aber Brady hätte das Sagen gehabt. Jetzt jedoch … jetzt war Padgett vermutlich die Alleinerbin des gesamten Besitzes.
Eine Menge Geld. Und es erbte eine Frau, die angeblich nicht im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte war.
Die sich selbst, sobald sie vom Tod ihres Bruders erfuhr, aus der Pflegeeinrichtung entlassen hatte.
Grayson überlegte. War es möglich, dass Padgett Long, die seit eineinhalb Jahrzehnten in einer Anstalt untergebracht war, den Tod ihres Bruders irgendwie
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