Der Zorn Gottes
sickerte über
ihr Kinn.
»Laß sie in Ruhe!«
befahl er.
Bösartig riß
Eleanor noch einmal an den Haaren des Mädchens. Athelstan packte sie
beim Handgelenk.
»Um Himmels willen,
Weib, laß sie in Ruhe!«
Widerstrebend gehorchte
Eleanor, aber sie funkelte Cranston wütend an.
»Sie ist eines
Verbrechens schuldig, oder? Vorgebliche Dämonenbeschwörung und
das Benutzen dieses Gaukelkrams sind fast so schlimm
wie die Schwarze Kunst an sich.«
Cranston, der eine tiefe
Abneigung gegen die Frau empfand, nickte. »Du meinst also, ich
sollte sie verhaften?«
»Wenn Ihr es nicht tut,
werde ich sie und dieses Miststück von Amme auf die Straße
werfen!«
»Eleanor!« stöhnte
Walter. »Tu's nicht!«
»Ach, halt's Maul!«
fauchte sie zurück. »Ich habe dir gesagt, diese kleine Dirne
ist eine Lügnerin und eine Betrügerin!« Sie trat dicht an
ihren Mann heran und reckte ihm ihr Gesicht entgegen. »Entweder die
beiden gehen - oder ich!«
Cranston warf einen
verstohlenen Blick auf Athelstan. Der Bruder sah hilflos das schluchzende
Mädchen an; Anna kauerte wie ein Hund in der Binsenstreu. Eleanor
ging zu dem Mädchen und krallte ihr die Finger in die Schulter.
»Raus aus diesem Bett
und aus diesem Haus - auf der Stelle!«
»Oh, um der
Barmherzigkeit willen!« rief Cranston.
»Mylord Coroner«,
versetzte die Hobden, »Ihr wurdet nicht eingeladen, in dieses Haus
zu kommen. Ihr seid hier als Beamter der Justiz. Ihr habt mitangesehen,
wie ein Verbrechen begangen wurde, aber Euer Mitgefühl gilt nicht den
Opfern, sondern nur der Täterin.«
Cranston warf einen Blick zu
Walter Hobden hinüber, aber dieser Hampelmann stand nur da und rieb
sich die Hände mit dem Mut eines erschrockenen Kaninchens.
»Um Himmels willen!«
Benedicta durchquerte das Zimmer. Elizabeths Mummenschanz hatte ihr Angst
gemacht, aber vor Eleanor Hobden zeigte sie keine Furcht. »Um Himmels willen!«
wiederholte sie. »Weib, dieses Kind ist vielleicht von Sinnen!«
Athelstan setzte sich auf das
Bett, schlang einen Arm um das schluchzende Mädchen und schaute den
Vater an.
»Warum erhebt deine
Tochter solche Vorwürfe?« fragte er.
»Weil sie mich haßt«,
gab Eleanor zurück. »Sie hat mich immer gehaßt, und sie
wird es immer tun. Jetzt kann sie verschwinden.«
Flehend blickte Benedicta
Athelstan an. Er bedeutete ihr mit einem Kopfnicken, sie solle der alten
Amme aufhelfen.
»Hör zu«,
begann er. »Ich bestehe darauf, Frau -nein, ich verlange es, weil
ich auf eure Einladung hergekommen bin. Es stimmt, Sir John wurde nicht
eingeladen, aber auch ihm seid ihr etwas schuldig, weil er die Wahrheit an
den Tag gebracht hat.«
Die Frau nickte.
»Also«, fuhr
Athelstan fort, »Elizabeth und ihre Amme werden heute nacht
hierbleiben. Morgen früh wird Benedicta wiederkommen und die beiden
zur Abtei von St. Mary und St. Frances bringen, die an der Kreuzung
zwischen der Poor Jewry und der Aldgate Street liegt.«
Walter murmelte zustimmend.
Seine Frau nagte an ihrer Unterlippe und starrte ihre Stieftochter finster
an.
»Von mir aus«,
schnarrte sie schließlich. »Aber bis zum Mittag ist das Luder
verschwunden!«
*
An der Ecke der Bread Street
und Westchepe blieb Cranston stehen und schaute zu seinem Haus hinüber.
»Ach«, seufzte
er, »ich wünschte, Lady Maude wäre wieder da.« Er
strich seinem Pferd über das Maul, leckte sich die Lippen und blickte
hinüber zu dem verlockend warmen Lichtschein, der aus dem »Heiligen
Lamm Gottes« drang. Er hatte Benedicta und Athelstan in Southwark
zurückgelassen, war allein nach Cheapside gekommen und hatte dabei,
wie so oft, laute Selbstgespräche über die Verhärtungen des
menschlichen Herzens und den verstockten Haß von Leuten wie Eleanor
Hobden geführt. Sein Pferd wieherte leise und stupste ihn vor die
Brust.
»Ja, wahrscheinlich
hast du recht«, brummte Cranston.
Er führte das Pferd
durch eine Seitenstraße in den Hof des »Heiligen Lamms«,
wo er und Lady Maude ihre Pferde einzustellen pflegten. Sir John brachte
das Tier unter, widerstand allen Versuchungen, überquerte die
verlassene Cheapside und ging zu seinem Haus.
Er hatte die Hand auf dem Türriegel,
als er seinen Namen hörte. Zwei Gestalten lösten sich aus einem
Durchgang an der Seite des Hauses und traten in den Lichtkreis der Lampe,
die an einem Haken neben der Tür hing. Cranstons Lächeln
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