Der Zuckerkreml
anlangte.
»Ein weißes Rundes und ein schwarzes Viertel, bitte. Und
eine Schachtel Papirossy.«
Der Kaufmann kniff die glasigen Äuglein zusammen.
»Nanu, Libellchen? Das hast du doch vorhin erst geholt?
Hat’s den Deinen nicht zugelangt? Alles aufgegessen und aufgeraucht?«
»Ach nein, Paramon Kusmitsch, ich hab’s Amonja, dem
Gerechten, gespendet.«
Choprow strich sich den roten Bart.
»Oha. Das ist ja allerhand, Mädel. Eine gottgefällige
Tat!«
Und nach kurzem Zögern versenkte er die Hand in der
Schachtel mit den Fruchtdrops, reichte Marfuscha ein paar über den Ladentisch.
»Da hast du!«
»Ergebensten Dank.«
Marfuscha steckte die Bonbons ein, ergriff das Brot und
die Papirossy – und ab nach Hause. Im Gehen schob sie sich einen Drops in den Mund
und lutschte. Hurtig bog sie ab von der Malaja Bronnaja … Da hörte sie aus der
Parterrewohnung im Eckhaus durch die offene Fensterklappe ein großes Wehklagen.
»Au, ich tu’s nicht mehr! Ich tu’s nie wieder! Au-au!«
Die Rute schwirrte und klatschte vernehmlich. Marfuscha
verhielt den Schritt, blieb stehen.
»Au! Ich tu’s doch nicht mehr! Auaah!«
Ein Knabe ward bestraft. Die Rute pfiff und patschte auf
den nackten Hintern. Bestimmt war es der Vater, der da züchtigte. Was Marfuschas
Vater nie tat, höchstens die Mama. Und das auch nur selten, zum Glück. Das letzte
Mal geschehen kurz vor Weihnachten, als durch Marfuschas Schusseligkeit zwei Linien
kostbares Koks flöten gingen. Mama und Papa hatten sich nach einem schweren
Arbeitstag in der Küche niedergelassen und drei Linien Schnee gezogen, Marfuscha
wollte gerade den Müll rausbringen und sperrte die Tür weit auf. Dummerweise war die
Lüftungsklappe in der Küche offen. Ein Luftzug aus dem Treppenhaus, wo die
Fensterscheibe eingeschlagen war – und der ganze schöne Schnee verteilte sich als
Staub in die Zimmerecken. Vater und Großvater brüllten wie aus einem Halse.
Großmutter zwackte sie schmerzhaft in den Arm. Mama aber, ohne ein Wort zu sagen,
legte Marfuscha quer über das Doppelbett und bearbeitete ihren nackten Po mit dem
Sprungseil. Marfuscha heulte, während Papa und Opa in der Küche damit beschäftigt
waren, den weißen Staub mit feuchtem Finger aus den Ecken zu klauben …
Marfuscha betrat den Hauseingang, da lehnten drei
Habenichtse an der Heizung und soffen. Sie hatten eine Zeitung (die Auferstehung ) ausgebreitet, auf der lag, was
sie den Morgen über zusammengetragen hatten. Nun kauten sie und pichelten eine
Flasche Schwarzgebrannten. Es waren aber Fremde, keine von hier, wohl nicht einmal
Moskauer. Ein Alter, grau wie eine Steppenweihe; ein Jüngerer, schwarz gelockt und
kräftig, aber ohne Beine; dazu noch ein Halbstarker. Den Schnaps hatten sie
anscheinend bei den Chinesen aufder Puschkinskaja gekauft, das sah
man an der weichen Flasche.
»Guten Tag, mein Täubchen, lang sollst du leben«, sagte
der Alte freundlich lächelnd.
»Wünsche Gesundheit!«, brummelte Marfuscha und beeilte
sich vorbeizukommen.
Sie war schon auf der Treppe, als ihr einfiel, dass sie
dem Hausmeister Meldung machen musste. Es gab ja doch solche und solche Bettler. In
Nummer fünfzehn hatten sie zum Fest ein paar maskierte Sternsinger eingelassen, die
dann in drei Wohnungen mit Gaspistolen umgingen und drei Säcke Krimskrams
einheimsten. Besserenfalls würden die hier ins Treppenhaus kacken, schlimmerenfalls
etwas klauen.
Also klingelte Marfuscha beim Hausmeister im zweiten
Stock. Seine Frau machte auf mit Lockenwickeln auf dem Kopf und einer Papirossa
zwischen den Zähnen.
»Was willst du?«
»Unten sind irgendwelche Habenichtse und saufen«, sagte
Marfuscha schnell und war auch schon die Treppe hinaufgeflitzt. Auf ihrer Etage
angekommen, steckte sie den Kopf durch das kaputte Fenster, um zu sehen, was nun
passierte. Und sie musste nicht lange warten, da ward es unten laut. Eine Tür
knallte, Gebrüll:
»Autsch! Gottverdammich!«
Der alte Mann stolperte, sich das Hinterteil haltend, aus
der Haustür, ihm nach kam der Halbstarke gesprungen, und der Krüppel auf seinen
Bügeleisen scharuckelte hinterdrein – verfolgt von Hausmeister Andrejitsch mit
seinem elektrischen Knüppel. Damit zielte er und schoss dem Krüppel einen blauen
Blitz ins Kreuz. Der Krüppel jaulte auf und fluchte gemein:
»Fick deine Fehlgeburt von Mutter!«
»Pass auf, dass ich dir nicht noch einen Roten
Weitere Kostenlose Bücher