Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
Vom Netzwerk:
mochte er nicht mehr –, sondern die Legende der Sieben Meere. Er zog das Höschen
     aus, wälzte sich über den Wannenrand und ließ sich ins Wasser plumpsen.
    Der Schaum duftete nach Meer. Peterle versank darin. Das
     warme Wasser, wie es seinen ausgelaugten kleinenKörper umspielte,
     war eine Wohltat. Der Wodka im Bauch entfaltete seine heiße Blüte.
    »Sa-a-ahne!«, ächzte Peterle und schloss die Augen.
    Jegorr kam mit einer brennenden Rodina vor die Wanne
     gefahren. Peterle behielt die Augen geschlossen, öffnete nur ein wenig den blutrot
     geschminkten Mund. Der Roboter steckte ihm die Zigarette zwischen die Lippen, drehte
     bei und erstarrte mit dem Aschenbecher in der Hand. Peterle tat einen tiefen,
     genüsslichen Zug, entließ den Rauch als dünnen Strahl. Der Schaum, mit dem Rauch in
     Berührung kommend, knisterte unzufrieden. Peterle zog noch einmal, maunzte. Der
     Roboter nahm ihm die Zigarette aus dem Mund. Stöhnend vor Behagen packte Peterle
     seine rote Nase, riss sie ab und schleuderte sie auf den Boden. Dann wusch er sich
     die Schminke aus dem Gesicht.
    Als das getan war, klappte er seinen kleinen Mund mit den
     schmalen, fahlen Lippen wieder auf. Der Roboter steckte die Zigarette hinein. Das
     Wasser hatte zu rauschen aufgehört. Peterle rauchte, entspannt in der Wanne liegend,
     zur dunkelblauen Decke mit den angeklebten glänzenden Sternen aufsehend. Die
     Vorstellung war glattgegangen, er hatte seine Possen getrieben und getanzt,
     leichtfüßig, feurig und verwegen wie immer, das volle Programm: Derwischkreisel,
     Schürhaken, Krebsgang, Entengang, Haselhuhn, Wirbelsturm, Stehaufmännchen, Samowar …
     und als er ihnen den »Amerikaner« machte, mitsamt »Arsch auf Grundeis«, da johlte
     und pfiff der ganze Kremlsaal, der ganze Innere Zirkel, und Fürst Obolujew warf
     zweimal einen Goldrubel nach ihm.
    »Zwei goldene und … um die zehn silberne«, murmelte
     Peterle, den Blick versonnen zur Decke gerichtet.
    »Sie wünschen?«, fragte der Roboter nach.
    »Nichts, nichts«, sagte Peterle und stippte die Asche in
     den Schaum. »Oder … noch einen Wodka.«
    »Sehr wohl!«, sprach der Roboter und klappte seinen Bauch auf.
    Peterle entnahm das Glas, kippte es, gab es dem Roboter
     wieder.
    »Puh … tut das gut«, murmelte er, nach Luft schnappend,
     und tat einen neuen Zug.
    »Ende gut, alles gut«, schnarrte der Roboter.
    »Genau«, sagte Peterle, die Augen schließend, und lehnte
     sich zurück gegen die Kopfstütze aus Plastik. »Fahr mir was zu essen auf. Aber nicht
     erst warm machen.«
    »Sehr wohl!«
    Der Roboter entfernte sich. Peterle rauchte zu Ende,
     spuckte die Kippe in den Schaum. Dann erhob er sich und stellte die Dusche an. Aus
     der breiten Rosette über ihm schlugen kräftige Strahlen. Peterle machte sich krumm,
     die Hände über den Genitalien verschränkt. Streckte sich dann jäh, legte den Kopf in
     den Nacken, ließ das Wasser ins Gesicht prasseln. Jetzt war ihm pudelwohl, alle
     Müdigkeit floss mit dem Wasser von ihm ab.
    »Das hätten wir!«, sagte er, stellte die Dusche ab und
     kletterte aus der Wanne.
    Er nahm ein flauschiges Kittelchen vom Haken und zog es
     an, stieg auf das hölzerne Podest vor dem Waschbecken und betrachtete sich im
     Spiegel: das breite Gesicht mit den unterlaufenen Äuglein, die Stupsnase, den
     kleinen, trotzigen Mund. Dann nahm er den Kamm vom Bord, kämmte sich das spärliche
     strohblonde Haar aus der Stirn.
    »Das hätten wir!«, sagte er noch einmal und streckte
     seinem Spiegelbild die spitze, weiß belegte Zunge heraus. »Gesundheit, Peterle!«
    Worauf er schaukelnd vom Podest stieg und ins Speisezimmer
     hinüberging. Dort war Jegorr mit dem Tischdecken schon fast fertig.
    »Wie geht’s?«, fragte Peterle und gab Jegorr mit wannenwarmer Hand
     einen Klaps auf den ewig kühlen Plastikpo.
    »Wie steht’s?«, echote Jegorr, die Speisen auftragend.
    »Erfr-r-r-rischung!«
    »Sehr wohl.«
    Peterle entnahm Jegorr das nächste Glas, trank es halb
     leer, spießte einen sauren Pilz auf die Gabel und schob ihn sich in den Mund, kaute.
     Dann trank er den Rest, griff sich mit den Fingern eine Salzgurke, setzte sich an
     den Tisch und biss in die Gurke, dass es knackte. Vor ihm standen ein Teller Koch-
     und Räucherwurst, vom Roboter in feine Scheiben geschnitten, ein Schälchen Kaviar
     mit Aubergine und eine nicht sehr akkurat geöffnete Büchse Sardinen in Tomatensauce.
     In der Tischmitte ragte ein Zuckerkreml auf. Sämtliche

Weitere Kostenlose Bücher