Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
Vom Netzwerk:
raufgeschmissen. Mitten in die
     Fresse! Obolujew, was sagst du dazu? Zack und peng. Das letzte Mal hat wer mit
     Silber geschmissen, das war … das ist … zum Schreien ist das. So geht das immerfort.
     Und der Herr Vorsteher hat gesagt, jawohl, dass es zum neuen Jahr eine Erhöhung
     gibt. Für gute Leistungen. Dann hab ich … was hab ich noch mal … hundertzwanzig hab
     ich dann. In Gold. Pro Monat. Und dazu noch das Gepfefferte. Toll, wie? Wir werden
     leben wie die Könige werden wir, Ritalein. Lass dir’s gut gehen da. Ritulinchen! Auf
     dein Wohl.«
    Er trank, zog die Nase kraus, atmete geräuschvoll aus.
     Behutsam setzte er das leere Glas auf dem Boden ab. Sah Rita beim Schaukeln zu.
    »Noch was, Ritalein. Was unser Witja ist, der hat schwarz
     vorgetanzt. Hat er! Vor den Geheimen, verstehst du? Und da war ein Opritschnik, der
     war blau. Stockbesoffen. Und dem hat unser Witja so gut gefallen, dass er ihm drei
     Goldrubel zugesteckt hat. Drei auf einmal! Und dann hat er noch das andre gewollt.
     Hat ihn sich auf den Schoß gesetzt sogar. Hoho! Hat ihm Wein eingeflößt. Und gesagt,
     man könnte doch. Auch vor den Opritschniki auftreten. Weil und so weiter. Das ist
     jetzt anders als früher,wo die Opritschniki uns Zwerge nicht
     leiden konnten. Das hat sich geändert. Auf einmal! Oder? Könnte sein. Warum auch
     nicht? Er macht mit dem was aus. Mit Bawila. Und dann läuft das. Dann tanzen wir vor
     den Opritschniki. Und alles wird gut. Alles! Der hat ihm einen ausgegeben. Dem
     Witja. So. Und unser lieber Witja, gescheit wie er ist, stell dir vor … der hat den
     Geheimen gleich angesprochen. Ins Gesicht! Wann re-vi-diert ihr den Fall der
     Kremlzwerge? So einer ist Witja! Und der Opritschnik hat ihn angehört. Ernsthaft.
     Und hat geantwortet, ganz im Ernst: Das machen wir – demnächst. Dem-nächst! Und das
     heißt: bald! Bald wird revidiert. Und dann kommt die Amnestie! Und ihr kommt frei!
     Alle sechzehn! Ha! So sieht’s aus!«
    Peterle kniff die Augen zusammen, die blind waren von
     Schnaps, Schminke und Müdigkeit, schaute aus schmalen Schlitzen auf Rita. Die sich
     immer noch Luft zufächelte, ihr Lärvchen hinter dem Fächer versteckte, ihm
     zuzwinkerte.
    »Amnestie!«, bekräftigte Peterle und leckte sich die
     schmalen Lippen. »Wenn ich es dir sage! Hab ich doch gleich gesagt … Gleich gesagt.
     Hab ich? Schon mal? Warte. Jegorrr!«
    »Sehr wohl.«
    »Hab ich Rita schon von der Amnestie erzählt?«
    »Jawohl.«
    »Wann?«
    »Am zwölften August. Am achtundzwanzigsten August. Am
     dritten September. Am siebzehnten September. Am neunzehnten September. Am vierten
     Oktober.«
    Peterle dachte nach.
    Rita schaukelte, wedelte, lächelte, zwinkerte.
    »Was ist? Lachst du mich aus? Dummes Ding.«
    Er nahm das leere Glas und warf es nach dem Hologramm. Das
     Glas flog durch die lächelnde Rita gegen dieWand und zu Boden. Es
     war aus transparenter lebendgebärender Plastik. Der Roboter fuhr hin, hob es auf und
     steckte es sich in den Bauch.
    »Fotze!«, brüllte Peterle und warf Rita einen gehässigen
     Blick zu.
    Rita zwinkerte hinter dem Fächer hervor.
    »Moment.«
    Peterle war etwas eingefallen. Er schürzte besorgt die
     Lippen.
    »Moment, Moment … Jegorrr-rrr!«
    »Sehr wohl.«
    »Ich will … Mir ist danach. Schnell! Das … Dings! Die
     Mütze!«
    Jegorr fuhr zum Kleiderschrank und öffnete ihn, nahm die
     grüne dreizipfelige Petruschka-Mütze heraus.
    »Los! Her damit!«
    Mit der Mütze auf dem Arm kam der Roboter zurückgerollt.
    »Schneller! Himmelarsch! Beweg dich!«
    Schwankend riss Peterle ihm die Mütze weg, stülpte sie
     sich über den Schädel, warf den Bademantel von sich, unter dem er nackt war.
    »Gib ihn mir!«, brüllte er.
    Augenblicklich tauchte anstelle von Ritas Hologramm ein
     neues auf: der Gossudar, wie er in der Zarenloge des Bolschoi-Theaters saß.
    »Heil Euch, Gossudar!«, brüllte Peterle. Beim Versuch, den
     »Samowar« vorzuführen, fiel er über seine Beine. »Heil, heil …«
    Er rappelte sich wieder auf. Tat eine Verbeugung.
     Salutierte.
    »Ich hätte da ein kleines Geschenk für Euch, Königliche
     Gnaden, vom Mutschekuhfladen, vom kupfernen Stengel, vom Ackergaulschwengel, vom
     Katzenspund, vomhinkenden Hund, von fickriger Nutte, von
     grindiger Kutte, vom blutigen Hackklotz, vom braunen Tabakrotz, von räudiger Gams,
     vom ranzigen Wams, von fauligen Früchten, von eklen Gezüchten, vom widrigen Gnom,
     vom Spalt im Atom, vom morschen Balkon, vom

Weitere Kostenlose Bücher