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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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Doppelkopfadler an ihm
     fehlten, und auch einen Teil der Mauern hatte Peterle schon verspeist.
    »Neuigkeiten?«, fragte er.
    »Keine Neuigkeiten!«, kam die Antwort von Jegorr.
    »Das ist gut«, nickte Peterle, griff nach einem Stück
     Schwarzbrot und machte sich gierig ans Essen.
    Er aß schnell und sichtlich mit Anstrengung, so als
     arbeitete er, sein Kopf vibrierte davon, die Gesichtsmuskeln unter der blassen,
     ungesunden, von vieler Schminke verdorbenen Haut wüteten.
    »Erfr-r-r-rischung!«, kam der Befehl aus vollem Mund.
    Gehorsam klappte der Roboter sich auf.
    Nach dem vierten Glas war Peterle schlagartig betrunken.
     Schwankend saß er da, seine Handgriffe wurden unpräzise, er kippte die
     Sardinenbüchse um und riss einen Brocken Brot ab, um die verschüttete Sauce vom
     Tisch zu tunken.
    »Aus dem Wa-alde … nicht wahr … aus den Be-er-gen«,hob er zu singen an und gab dem Roboter einen Wink.
    »Reitet stolz Onkel Jego-o-o-or«, stimmte der Roboter
     unverzüglich ein.
    »Und mit Knarren folgt der Ka-a-arren«, röhrte der Zwerg
     und hickste.
    »Und der Schimmel läuft davo-o-o-r«, sang der Roboter.
    »Zieht den Ka-a-arren in das Mo-o-o-rrr!«, grölten sie
     miteinander.
    Peterle ließ sich lachend gegen die Lehne zurückfallen,
     wobei ihm die Gabel aus der Hand fiel. Den Brotbrocken mit der aufgetunkten Sauce
     knetend, lachte er sein schnarrendes Lachen und fiel beinahe vom Stuhl. Der Roboter
     stand daneben, blinkerte mit blauen Augen.
    »Erfr-rischung!«, brüllte Peterle, wild den Kopf
     schüttelnd.
    Der Plastikbauch klappte auf. Peterle nahm das Glas,
     nippte, stellte es dann behutsam auf dem Tisch ab.
    »Das hätten wir …«
    Seine Äuglein schwammen zum Roboter.
    »Was ist die Mehrzahl von Glas?«
    »Scherben!«, erwiderte der Roboter.
    »Kor-rekt!«, hickste Peterle. »Und, äh … Wie gingen die
     Geschäfte?«
    »Kröte krähte, Katze kläffte!«
    »Kor-r-r-rekt!!«, brüllte Peterle und hieb die Faust auf
     den Tisch.
    Das halb volle Schnapsglas kippte um.
    »Himmel, Arsch und Gartenzwerg … Erfr-rischung!«
    Der Roboter klappte auf. Die kleine Hand griff sich das
     Glas. Dann entdeckten die schwimmenden Äuglein den Zuckerkreml.
    »Ah!«
    Peterle erklomm den Stuhl, richtete sich auf und reckte den Arm
     nach dem Kreml, wobei er fast auf dem Tisch zu liegen kam. Es gelang ihm, einen
     Zacken aus der Kremlmauerkrone zu brechen, den er sich in den Mund steckte. Beim
     Zurückkriechen patschte er mit der Hand auf den Wurstteller. Hart landete er wieder
     auf dem Stuhl. Saß und kaute, der Zucker knackte ihm zwischen den Zähnen.
    »Und wie … mnam-mnam … wie geh’n bei uns die Geschäfte?«
    »Kröte krähte, Katze kläffte!«
    »Na gut …«
    Peterles Zähne mahlten die Kremlzinne.
    »Jegorro, weißt du was«, überlegte er laut, »du könntest
     …«
    »Sie wünschen?«
    »Gib mir mal das Ritalein.«
    Ein Hologramm baute sich auf, raumhoch und in mäßiger
     Qualität: Eine junge Zwergin saß im Schaukelstuhl in einem Garten. Schaukelnd,
     lächelnd, mit einem Fächer wedelnd, der in ihren winzigen Händen riesig erschien.
    »Sieh woandershin!«, befahl Peterle dem Roboter.
    Der Roboter wandte sich ab.
    Mit dem Schnapsglas in der Hand kam Peterle hinter dem
     Tisch hervor, ging zu dem Hologramm und ließ sich umständlich davor auf dem weichen
     Fußbodenbelag nieder, dabei schwappte der Wodka aus dem Glas.
    »Guten Tag, Ritulja«, schnarrte er. »Grüß dich, meine
     Liebe!«
    Die kleine Frau fuhr fort zu fächeln und zu lächeln. Von
     Zeit zu Zeit versteckte sie ihr Gesicht hinter dem Fächer und blinzelte hervor.
    »Ritalinchen. Heute, da haben wir … haben wir schon wieder
     ohne dich unsere Possen gerissen. Die zweiundsechzigste Vorstellung«, brummelte
     Peterle stockend. »Diezweiundsechzigste! Ohne dich. Was soll man
     dazu sagen … Alle sehnen sich nach dir. Und wie! Nastja, Borka, Gurke, Marinka …
     Auch der Neue, wie hieß er doch … Samsonni. Der Wassergeist. Der auch. Alle
     vermissen dich. Und ich hab dich so lieb, so schrecklich lieb! Und ich werd warten
     auf dich, immerzu. Lange ist das ja nicht. Nicht mehr. Anderthalb Jährchen. Das
     vergeht im Nu. Das merkst du gar nicht. Da wo du bist. Merkst du das nicht. Das
     vergeht wie im Flug. Ruck, zuck ist die Zeit rum. Und dann sind wir … dann ist alles
     wieder gut. Geld ist auch da inzwischen, Ritalein, ein ganzer Haufen. Heute hat mir
     dieser Fürst … Obolujew, der hat mir zwei Goldrubel

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