Der zugeteilte Rentner (German Edition)
Freund der beiden und die fünfköpfige Band des Bräutigams.
„Meinst du die bleiben lange zusammen?“, sagte Clara und stieß Finn in die Seite. Doch dieser reagierte nicht, er griff sich ständig ans Auge.
„Sag mal: Heulst du etwa?“
Ganz winzig erklang ein „Nein“.
„Natürlich heulst du. Ich seh’s doch.“
„Na, und? Andere heulen auch! Die da vorne zum Beispiel.“
„Das sind Frauen. Na zum Glück hat einer in unserer Beziehung Eier!“
Die Musik stoppte, der Hall drehte noch eine Runde in der Kirche, dann setzte er sich und mit ihm die Gäste. Wieder blickte Finns Mutter nach hinten und beäugte Clara. Wie ein Falke die Maus.
„Glaubst du, deine Mutter hasst mich?“
Finn sah sie an. Mit einem Taschentuch wischte er sich ein paar Tränen aus den Augen.
„Lass mich überlegen: Sie sagte, du seiest ein molliges, unnützes Mädchen, das nicht wüsste, was sie wollte. Außerdem wärst du eine Versagerin, die nur Unglück über mich bringt. In diesem Fall …“, er überlegte. „Ja! Ganz klar! Sie hasst dich!“
Die ersten Gäste drehten sich um, einige zischten, nur das Brautpaar ließ sich nicht beirren.
„Hat sie das wirklich gesagt?“, flüsterte Clara.
„Das waren noch die besten Worte!“
„Dieses blöde Miststück!“
„Hey! Sie ist meine Mutter!“
Wieder zischten die Gäste nach hinten. Auch Finns Mutter drehte sich um, warf ihr böse Blicke zu. Doch Clara konterte mit dem schönsten Titelblatt-Lächeln, das sie in der kurzen Zeit aufbringen konnte.
„Ich hasse sie!“
Es dauerte nicht lange und die Hochzeitszeremonie endete mit viel Musik und glücklichen Gesichtern. Doch vor diesem Ende fürchtete sich Clara. Während alle nach draußen liefen, um Reis, Blumen und Konfetti auf das Brautpaar regnen zu lassen, näherten sich Finns Eltern. Arm in Arm schlenderten sie nach vorne.
„Clara!“, zischte Finns Mutter, öffnete die Arme und lud Clara zu einer Umarmung ein, die tödlicher als die eines Kraken sein konnte. „Lass dich mal drücken!“
Zuerst zögerte sie, lächelte ein wenig. Vielleicht eine Falle. Dann grinste Clara, schob die Lachfalten bis ganz nach hinten und ließ sich in die Fänge des Ungetüms fallen.
„Katja!“
„Clara!“
Der Griff wurde immer fester, als ob sie sich gegenseitig die Luft auspressen wollten.
„Du hast zugelegt!“
„Ich hab eigentlich abgenommen!“
Küsschen links, Küsschen rechts.
„Gut siehst du aus! Nur mein Sohn wirkt etwas blass. Hast schon lang nichts mehr gegessen?!“
Finn schwieg. Und Clara drückte Finns Vater.
„Robert!“
„Clara!“
Dieser Umarmung fehlte jede Herzlichkeit. Ständig bemühte sich Clara, ihn nicht mit ihren Brüsten zu berühren. Beim letzten Mal, als sie ihn traf, weiteten sich seine Augen, dann setzte er sein teuflisches Lächeln auf und widmete den Rest des Abends den Untiefen ihres Dekolletes. Finn meinte das sei Altersgeilheit. Und normal.
„Ein schöner Anzug!“
„Ach! Ich wär’ auch in Shorts gekommen! Sind doch eh nur Familienmitglieder hier. Die alten Nassauer. Sonst lassen sie sich nie blicken. Aber wenn’s was zum Fressen gibt, sind sie da.“
Obwohl Robert wie ein erfolgreicher Manager aussah, der unter seinem Anzug vermutlich einen weiteren Anzug trug, fühlte er sich in seiner neuen Haut nicht wohl. Mehrmals griff er sich in den Schritt und versuchte etwas zu richten.
„Hör endlich auf, an dir rumzufummeln!“, boxte Katja ihm gegen den Arm.
Clara fehlten die Worte. Wenn sie jetzt etwas für die Hochzeit sagte, verhielt sie sich politisch korrekt. Aber dann würde Finns Vater lästern. Sprach sie sich gegen die Hochzeit aus, würde Finns Mutter sie angreifen. Und das wäre noch schlimmer.
„Eine schöne Hochzeit!“
„Unnötige Geldausgabe“, zischte Robert und griff sich in den weißen Vollbart, der ansatzlos seinen Kopf umrundete. „Waren doch schon auf dem Standesamt. Das reicht doch.“
Dann holte er eine Zigarillo hervor und steckte sie sich in den Mund.
„Du kannst hier nicht rauchen, Robert!“, schlug Katja ihm auf den Arm.
„Ich mach sie hier doch nicht an! Die ist für später.“, brüllte er. „Hätte auch gereicht, im Standesamt zu heiraten.“, fuhr er fort, griff seinem Sohn an die Krawatte und zurrte sie so fest, dass dieser gluckste. „Oder, Finn?“
Die Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf Finn. Zuerst zögerte er, wechselte mehrmals von einem Bein aufs andere.
„Will jemand Sex – äh Sekt?“
Alle blickten ihn an: sein Vater, seine Mutter, Clara, selbst
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