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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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dann folgte er.
Claras Beine trugen sie einfach durchs Wohnzimmer, an der Küche vorbei und hinein ins Schlafzimmer. Leise schloss sie die Tür. Hier befand sie sich in Sicherheit, hier umgab sie nur Ruhe. Clara wollte sich keine Gedanken um Maximilian machen, keine um unbezahlte Rechnungen, Schulden auf ihrem Studentenkonto, verpasste Termine – einfach nur aufs Bett legen, sich ausstrecken und die Augen für einen Moment schließen.
Maximilian stöberte in der Zwischenzeit in der Küche. Im Kühlschrank befand sich nur wenig, er hoffte, etwas Brombeermarmelade zu finden, die er mit einem trockenen Stück Toast hätte essen können – doch seine Suche blieb erfolglos. Als er nichts fand, schlenderte er ins Wohnzimmer. Zuerst dachte er, dass Clara bereits den Fernseher angemacht hätte, aber die Geräusche kamen diesmal von den Nachbarn. Sie redeten, sie debattierten, sie schrieen. Im Stockwerk drüber ging es heiß her. Eine Frau brüllte herum und hin und wieder fiel etwas auf den Boden, vermutlich ein Kochtopf. Dann folgte eine Lärm-Sinfonie begleitet vom Teller-Chor, rhythmisch untermalt vom Möbel-Ensemble.
Maximilian legte sich auf die Couch, starrte nach oben und beobachtete die Decke. Strukturen und Muster von eingetrockneten Wasserflecken zogen sich von den Regalen bis zur Tür. Wie eine große Landkarte reihten sie sich aneinander, fremde Kontinente, unentdeckte Inseln, riesige Meere unter den Füßen der Nachbarn. Dann schlief er ein.

Clara konnte sich nicht auf ihre Arbeit konzentrieren. 123 Karteikärtchen zum Lernen mussten sie noch schreiben, und sie war erst bei Nummer 2. Außerdem streikte die Heizung, ihre Füße versteiften sich vor Kälte und der einzige Gedanke, der sich wie eine riesige Blase in ihrem Kopf formte sah aus wie Finn. Warum stand er nicht zu ihr? Warum sah er tatenlos zu? Warum benahm er sich nicht einfach so, wie sie es von ihm verlangte? Dutzende Fragen sprangen in ihrem Kopf auf und ab, sie drehte sich auf die andere Seite im Bett, aber das verbesserte kaum die Situation. Dann legte sie sich auf den Rücken und starrte nach oben. Finn. Finn. Finn.
Ein paar Sekunden später riss Clara die Tür zu ihrem Zimmer auf und marschierte direkt auf Maximilian zu. Sie packte sich einen Stuhl und setzte sich ihm gegenüber.
„Ich brauche eine zweite Meinung.“
„Was?“, zischte er und rieb sich die Augen, noch halb getränkt mit Schlaf und Träumen.
„Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Finn ist einfach, er ist … was soll ich sagen?“
„Das sind alles Dinge, die mich gar nichts angehen. Haben sie niemanden, den sie anrufen können?“
„Finn macht alles falsch.“
„Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, die viel aussichtsloser und deprimierender sind. Gehen Sie wieder ins Bett!“
„Ich kann jetzt nicht schlafen!“
„Darf ich dann?“
Doch Clara fuhr einfach fort: „Erst letzte Woche wollte ich mich mit Finn treffen und dann bringt der seine Ex mit. Können sie sich das vorstellen? Seine Ex! Vielleicht hat er noch was mit der. Und jetzt? Sein Vater greift mir an den Arsch und er steht nicht zu mir!“
Clara kaute an ihren Fingern wie auf einem Hühnerknochen, starrte auf den Boden, knabberte am Daumen, am kleinen Finger, entlang am Ringfinger und wieder zurück. Maximilian starrte sie nur an, als wäre ihm Mephisto erschienen, der seine Seele forderte.
„Und was soll ich mit Ihnen überhaupt machen? Ich würde Sie am liebsten rauswerfen! Sie brüllen aus dem Fenster – hören Sie auf, Nachbarn zu belästigen. Das geht Sie alles nichts an. Kümmern Sie sich um ihr eigenes Leben. Können Sie nicht einmal einen Augenblick normal sein, einfach nur alt, herzlich, nett und zurückhaltend? So sind doch alte Menschen?“
„Das ist ein Klischee!“, brummte Maximilian. „Wir sind gemein, intrigant und äußerst gefährlich. Ihr wollt uns nur als weißbärtige Weihnachtsmänner und strickende Omas sehen. Wir sind genauso wie Ihr. Warum sollten wir besser sein?“
„Wissen Sie was?“, sprang Clara auf und warf ihm ein Kissen an den Kopf. „Sie sind ein pessimistischer, verbohrter Mann. Warum müssen Sie ihre Mitmenschen tyrannisieren? Denken Sie manchmal auch an andere?“
Maximilian schleuderte das Kissen zurück.
„Sie denken schon genug an sich selbst! Sie sind jung und egoistisch!“
Clara warf ihm das Kissen gegen den Kopf.
„Sie sind der Egoist!“
„Nein, Sie!“
„Das Kissen flog zurück und prallte an ihrer Stirn ab.
„Sie!“
Wieder

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