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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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das Spülbecken und es stank nach Frittiertem. Doch das war nicht alles. In den Bücherregalen sammelten sich leere Pillendosen; im Hintergrund dröhnte der Fernseher mit der Morgenshow; und Maximilians Klamotten lagen überall auf dem Boden. Kurz gedacht: das Zimmer eines 12jähringen. Schlimmer noch: Ihre Wohnung verwandelte sich immer mehr. Es war nicht mehr ihre, es wurde seine Wohnung; seine Bilder, seine Sachen, sein Chaos. Er verdrängte sie aus ihrem Apartment.
Zuerst wollte sie ihn packen und schlagen. Aber der Anblick, Maximilian in Hawaii-Shorts beim Tai-Chi zu beobachten, hielt sie davor zurück, ihm eine Strafpredigt zu halten. Vor allem stellte sie fest, dass der alte Mann erstaunlich muskulös und behaart war. Weiße Haare bemoosten seine faltigen, eckigen Gliedmaßen und seine lederne Haut – wie bei alten Ästen.
„Ich habe Ihnen Frühstück gemacht“, sagte er und deutete auf den Küchentisch.
Frühstück für sie? Nicht mal Finn dachte an so was. Langsam näherte sie sich dem Tisch und blickte auf einen schön verzierten Teller mit allerlei Salat drum herum. Auf dem Teller lagen Würstchen, Speck mit Eier und ein Toast.
„Ich bin Vegetarierin! Das wissen Sie!“
Doch Maximilian ging darauf nicht ein, er meinte nur kurz „Oh!“ und macht dann eine Übung, die aussah wie ein „X“.
„Essen Sie’s später?“
Clara stand einfach nur da. Und schwieg. 6.33 Uhr. Dann nahm sie den Teller und schmetterte ihn mit den Würstchen gegen die Küchenwand. Die Scherben flogen wild auseinander, der Speck verteilte sich über ein Regal mit Kochbüchern, die Eier sausten gegen die Fensterscheibe, prallten dort ab und kamen zurück, während das Toast einfach langweilig und geradlinig nach unten fiel und in der Spüle liegen blieb.
„Sie mögen keine Würstchen, nehme ich an!?“
Maximilian zuckte nicht einmal. Andere wären gerannt oder hätten sich bewaffnet, um sich gegen sie zu verteidigen. Doch er stand auf einem Bein, streckte das zweite und beschrieb währenddessen mit seinen Armen ein großes „O“.
„Jetzt ist Ruhe!“
Clara ging zum CD-Spieler und schaltete ihn aus. Ihr Bett war noch warm. Wenn sie den Konflikt mit Maximilian innerhalb der nächsten Minute löste, konnte sie zurückkehren, sich die Decke über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Da Maximilian schwieg und von einem Bein aufs andere stolzierte, trottete sie zurück in ihr Zimmer. Keine fünf Sekunden später lag sie unter der Bettdecke. Von unten stieg die warme Luft nach oben, kroch durch ihren Schlafanzug und umschloss sie. Dann drehte sie sich auf den Bauch, drückte ihr Gesicht in das Kissen und lauschte. Nichts. Maximilian blieb ruhig, zumindest drang kein Geräusch in ihr Zimmer. Vielleicht gab er Ruhe, hatte sich auf die Couch gelegt oder besser noch: Er ging mit dem Hund spazieren, aus dem Haus, in den Park, Stunden unterwegs. Doch dann machte es einen Schlag, darauf folgte ein weiterer und eine Lawine an scheppernden Geräuschen setzte sich in Gang. Maximilian fluchte. Der Hund bellte. Irgendetwas fiel um und riss noch mehr mit herunter. Maximilian fluchte wieder. Der Hund bellte noch lauter. Und es war gerade 6.38 Uhr. So konnte das nicht weitergehen. Maximilian musste ausziehen, fort von hier. Doch wie wurde man jemanden los, der nicht ging? Natürlich könnte sie ihn einfach rauswerfen, aber dann hätte sie ein schlechtes Gewissen, der alte Mann lungerte dann vor ihrer Tür rum und ein paar Stunden später machte er sich wieder auf ihrer Couch breit. Vielleicht kamen die von der Deutschen Rentenversicherung und würden ihn zu seinem neuen Zuhause bringen, so mit Garten, so was Kleines, irgendwo am Stadtrand. Aber die Wahrscheinlichkeit war gering. Vermutlich müsste sie ihn Monate lang beherbergen. Besser wäre es natürlich, wenn er selbst seine Sachen packte, weil er etwas Schöneres fände oder weil es ihm hier nicht mehr gefiel.
Das war die Idee: Maximilian fühlte sich bei ihr einfach zu wohl. Würde sich das ändern, ginge er auch. Das einzige wofür sie jetzt noch sorgen musste, waren die Umstände, die ihm den Spaß an der Wohnung nahmen. Clara freute sich, sie musste lachen, nur leise sein, sonst hörte er sie noch. Sie fasste einen Plan.

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