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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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Fernseher noch lauter.
Clara hatte sich in der Zwischenzeit einen Kaffee geholt. Sie stand im Türrahmen zur Küche und beobachtete Maximilians Verhalten. Er streckte sich auf der Couch, kratzte sich zwischen den Beinen, trank etwas Wasser, drückte sich noch tiefer in die Kissen, kratze sich wieder, spielte mit seinem Bauchnabel und verharrte in dieser Position. Mit jedem Schlag gegen die Wand wackelten die aufgehängten Bilder: das Foto von ihrem ersten Hund, das von drei Freundinnen, ein Onkel und eine Tante aus der Schweiz sowie ein Robbie-Williams-Bild in seinen jungen Jahren. Nach dem elften Mal war es soweit: Onkel und Tante fielen von der Wand, stürzten entlang der geblümten Tapete, das Glas zersprang auf einem Lautsprecher, eine Scherbe köpfte Tante und Onkel und verteilte die Bildreste über den Teppich. Doch selbst das rief bei Maximilian keine Reaktion hervor. Er drückte den Lautstärkeknopf auf der Fernbedienung: + + + + + + + + + + + + + + + + + + und überdeckte damit die nachbarschaftliche Geräuschkulisse.
Clara schluckte, ihre Hände zitterten. Der Nachbar hämmerte gegen die Wand, Maximilian stellte den Fernseher immer lauter und nebenbei fielen ihre Sachen aus den Regalen. Der Plan sah anders aus – erfolgreicher. Maximilian verhielt sich wie eine Warze, die sich nicht entfernen ließ. Wegschneiden ging nicht, die Wurzeln saßen tief. Manchmal half es nur, sie wegzuätzen, den Lebensraum zu zerstören, den Nährboden zu vergiften.
Clara verkroch sich in ihrem Schlafzimmer. Um den Lärm zu mildern, schloss sie die Tür und legte eine große Decke dahinter, die Seiten dichtete sie mit Klebeband ab, ins Schlüsselloch stopfte sie ein Taschentuch, in ihre Ohren etwas Oropax, fertig. Doch bevor sie sich auf ihr Bett setzte, um in Ruhe für ihr Studium zu lernen, ging die Tür auf. Die Klebebänder rissen, das Taschentuch fiel aus dem Schlüsselloch und die ganze Arbeit war umsonst. Maximilians Gesicht schob sich zwischen der Tür durch. Sofort wunderte er sich über den Nutzen der Klebebänder, die Decke und was sonst noch so herum lag. Anschließend fragte er, ob er den Rest des Joghurts essen könnte, der sich im Kühlschrank befand und von dem er bereits dreiviertel gegessen hatte. Dann schloss er die Tür und der Lärm ging weiter.
Es dauerte nicht lange, bis es klingelte. Doch die Ohrenstöpsel blockierten jegliche Geräuscheinwirkung von außen. Sie hörte nichts.
Es war der Nachbar von oben, wie Maximilian feststellte: ein großer, hagerer Mann mit zerfurchtem Gesicht und vielen Narben, die sich durch die Unebenheiten seiner Haut schlängelten – sah aus wie eine Figur aus Jack Londons Romanen. Da er nachts arbeitete und tagsüber schlief, hielt er nichts von dem Lärm-Ping-Pong, der sich unter ihm abspielte. Maximilian verstellte sich, machte auf schwerhörigen und gebrechlichen Rentner – als ehemaliger Laien-Schauspieler kein Problem für ihn. Natürlich läge alle Schuld beim Nachbarn sagte er, aber als kleiner, alter Mann könnte er nichts dagegen machen.
Die Mitleidsmasche half. Maximilian schloss die Tür und der Nachbar marschierte zum Randalierer nebenan – und klingelte. Die Wohnungstür schwang quietschend auf und Maximilian stellte den Ton des Fernsehers leiser, um überhaupt etwas zu hören. Die beiden Männer diskutierten auf dem Flur, langsam erhoben sich die Stimmen, die Sätze wurden kürzer, die Stimmen tiefer, schließlich brüllten sie sich gegenseitig an. Wörter wie „Armbrust“ oder „Nullticker“ hörte er, obwohl er genau wusste, dass die Männer bestimmt etwas anderes schrieen. Aber diese eigenartige Leichtbauweise der Räume – 3 cm Gipsplatten – und der Hall im Flur bildeten einen Wortkatalysator, der alles Gesagte in jugendfreier Version wiedergab.
Dann passierte das, worauf Maximilian gewartet hatte: Die Wörter der Männer wandelten sich zu einem Knurren, einer knallte schließlich gegen die Wand und ein Buch fiel aus dem Regal. Die Geräusche gingen weiter, diesmal stürzten die Männer gegen eine Wand gegenüber. Daraufhin kam ein dritter Nachbar auf den Flur, er motzte herum, was wiederum einen vierten und fünften Nachbarn herauslockte. Jetzt beschimpften sich alle, nach ein paar Sekunden gipfelte der Streit in einem lauten und gleichmäßigen Rumoren. Maximilian wusste, was er zu tun hatte, er nahm das Telefon und rief die Polizei. Damit alles etwas schneller ging erwähnte er beiläufig die Begriffe „Terrorist“ und „Bombe“, wenn auch

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