Der Zusammenbruch
Gold der Epauletten und der Helme unterscheiden konnte.
»Dreckige Schufte! dreckige Schufte!« wiederholte er mit ausgestreckter Faust.
Da oben auf der Marfée, das war der König Wilhelm mit seinem Stabe. Etwa um sieben Uhr war er von Vendresse herübergekommen, wo er geschlafen hatte, und befand sich dort oben außerhalb jeder Gefahr, denn vor ihm lag das ganze Maastal, ein schrankenloses Schlachtfeld. Wie ein riesiger Reliefplan reichte es von einem Ende des Horizontes zum andern; er aber stand auf seinem Hügel wie auf einem für ihn in dieser Riesenprunkloge bereitgehaltenen Throne und schaute zu.
In der Mitte hob sich von dem dunklen Hintergrunde des Ardenner Waldes, der wie ein altgrüner Vorhang am Horizontaufgespannt schien, Sedan mit den geometrischen Linien seiner Befestigungen, die im Süden und Westen die überschwemmten Wiesen und der Fluß bespülten. In Bazeilles flammten bereits Häuser empor, der Staub der Schlacht hüllte den Ort mit seinem Dunst. Im Osten von La Moncelle bis La Givonne sah man sodann nur ein paar Regimenter des zwölften und des ersten Korps wie Insektenzüge sich über die Stoppelfelder hinziehen und zeitweilig in dem engen Tale verschwinden, in dem diese Weiler verborgen lagen; gegenüber lag die Rückseite der feindlichen Stellung auf hell erscheinenden Feldern, die das Chevaliergehölz mit seinen grünen Massen durchsetzte. Am besten aber konnte man im Norden das siebente Korps sehen, das mit seinen beweglichen schwarzen Punkten die Hochebene von Floing besetzt hielt, einen breiten Streifen rötlichen Geländes, der sich vom Garennegehölz bis zu den Büschen am Rande des Wassers hinabzog. Darüber hinaus lagen noch Floing, Saint-Menges, Fleigneur, Illy, lauter in den Wellen des Geländes versteckte Dörfer, die ganze Landschaft durchaus hügelig, von steilen Böschungen durchschnitten. Nach links kam dann auch die Maasschleife, deren ruhiges Wasser in der hellen Sonne wie blankes Silber erglänzte; sie versperrte mit ihrem weiten, träge fließenden Bogen den Weg nach Mézières vollständig und ließ zwischen ihrem Uferrande und den undurchdringlichen Wäldern nur den Paß von Saint-Albert als Durchgang offen.
Da lagen nun die hunderttausend Mann und fünfhundert Geschütze des französischen Heeres in diesem Dreieck übereinandergehäuft und umzingelt; und wenn der König von Preußen sich nach Westen wendete, dann erblickte er eine andere Ebene, die von Donchery, deren abgeerntete Felder sich gegenBriancourt, Marancourt und Vrignes-aux-Bois erstreckten, eine Unendlichkeit grauer Felder, von denen der Staub in den blauen Himmel emporstieg; und wenn er sich nach Osten wendete, dann lag auch dort vor den eingezwängten französischen Linien die freie Unendlichkeit mit einem Gewimmel von Dörfern, Douzy und Carignan zunächst, dann sich allmählich gegen La Chapelle dicht an der Grenze hinaufziehend Rubécourt, Pourru-aux-Bois, Francheval, Villers-Cernay. Rings herum beherrschte er die Gegend, nach Gutdünken schob er die zweihundertundfünfzigtausend Mann und achthundert Geschütze seiner Heere vor und umspannte mit einem einzigen Blick ihren ungestümen Marsch. Von der einen Seite ging schon das elfte Korps gegen Saint-Menges vor, während das fünfte bei Vrignes-aux-Bois lag und die württembergische Division in der Nähe von Donchery wartete; und wenn ihm auch auf der andern Seite die Bäume im Wege waren, so ahnte er hier doch die Bewegungen des zwölften Korps und würde es bald aus dem Chavaliergehölz hervordringen sehen; und er wußte, die Garde müsse Villers-Cernay erreicht haben. Dies waren die Backen des Schraubstockes, die Heeresgruppe des Kronprinzen von Preußen links, die des Kronprinzen von Sachsen rechts, die sich öffneten und mit einer unwiderstehlichen Bewegung wieder schlossen, wählend die beiden bayrischen Korps sich auf Bazeilles stürzten.
Zu Füßen König Wilhelms donnerten von Frénois bis Remilly die Batterien fast ununterbrochen, ohne nachzulassen, und bedeckten La Moncelle und Daigny mit Granaten, fegten jenseits der Stadt Sedan die Hochebenen im Norden. Und es war kaum acht Uhr, und er wartete auf das unausbleibliche Ergebnis der Schlacht, die Augen auf dies Riesenschachbrett,das Gewimmel seiner Leute und die Wut der paar inmitten der ewig lächelnden Natur sich verlierenden schwarzen Punkte geheftet.
2.
In dichtem Nebel blies der Hornist Gaude beim ersten Tagesgrauen auf der Hochebene von Floing mit aller Kraft zum Wecken. Aber
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