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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Nachbar. »Ich bin mitgelaufen und habe ihn durch das Tor nach Balan reiten sehen ... Es heißt gerüchtweise, eine Kugel hätte ihm den Kopf abgerissen.«
    Aber da wurde der Krämer auf der andern Seite wütend.
    »Hören Sie doch auf! Lügenkram! Nur tapfere Leute lassen dabei ihr Fell!«
    Der Karren, der den Marschall barg, verlor sich gegen den Schulplatz hin in einer wachsenden Menge, unter der bereits die abenteuerlichsten Nachrichten vom Schlachtfelde umliefen. Der Nebel zerging und die Straßen füllten sich mit Sonnenschein.Aber vom Hofe her rief eine rauhe Stimme:
    »Meine Damen, hier drinnen werden Sie gebraucht, nicht da draußen!«
    Alle drei gingen sie wieder hinein und fanden sich dem Stabsarzt Bouroche gegenüber, der seine Uniform bereits in eine Ecke geworfen hatte, um eine weiße Schürze vorzubinden. Sein Riesenkopf mit den struppigen wirren Haaren, sein ganzer Löwenkopf flammte vor Eile und Tatkraft über dieser noch fleckenlosen Weiße. Er kam ihnen so schrecklich vor, daß sie ihm sofort ganz willig gehorchten; sie achteten auf jedes seiner Zeichen und drängten sich, um ihn zu befriedigen.
    »Wir haben hier nichts ... Geben Sie mir Leinen, versuchen Sie noch mehr Matratzen aufzutreiben, zeigen Sie meinen Leuten, wo die Pumpe ist ...«
    Sie rannten, sie rissen sich in Stücke und wurden gänzlich zu seinen Dienerinnen.
    Mit der Fabrik war eine sehr gute Wahl zu einem Lazarett getroffen. Da war allein schon der Trockenraum, ein riesiger, mit großen Fenstern versehener Saal, wo man leicht gegen hundert Betten aufstellen konnte; daneben lag ein Schuppen, unter dem Operationen ganz wunderbar auszuführen waren: ein langer Tisch war schon in ihm aufgestellt, die Pumpe war nur ein paar Schritte entfernt, die Leichtverwundeten konnten auf dem Rasen nebenan warten. Und dann waren die schönen hundertjährigen Ulmen, die köstlichen Schatten gewährten, eine wahrhafte Annehmlichkeit.
    Bouroche hatte es vorgezogen, sich sogleich in Sedan einzurichten, da er das kommende Gemetzel, den schrecklichen Andrang vorhersah, der die Truppen dort hineintreiben müßte. Er hatte sich damit begnügt, beim siebenten Korps hinter Floing nur zwei fliegende Ambulanzen und Hilfsverbandsplätzezu lassen, von wo ihm die Verwundeten schickt werden sollten, nachdem sie oberflächlich verbunden worden waren. Alle Korporalschaften von Krankenträgern waren dort draußen und mußten die Gefallenen im Feuer auflesen; die nötigen Fuhrwerke und Packwagen hatten sie bei sich. Bouoche hatte außer zwei auf dem Schlachtfelde zurückgelassenen Gehilfen seine ganzen Hilfskräfte mitgebracht, zwei Stabsärzte zweiter Klasse und drei Unterärzte, die für die Operationen zweifellos genügten. Außerdem waren noch drei Apotheker und ein Dutzend Lazarettgehilfen da.
    Aber sein Zorn wurde nicht gelinder, denn ohne Leidenschaftsausbrüche konnte er nicht arbeiten.
    »Was machen Sie da? Schieben Sie mir die Matratzen mehr zusammen! ... In die Ecke kann Stroh gelegt werden, wenn es nötig wird.«
    Die Geschütze brummten; er wußte recht gut, seine Arbeit könnte von einem Augenblick zum andern beginnen; Wagen voll von blutendem Menschenfleisch; und heftig brachte er Ordnung in den noch leeren großen Saal. Unter dem Schuppen wurden dann andere Vorbereitungen notwendig, Verbands- und Arzneikisten wurden auf einem Brette nebeneinander gestellt, Haufen von zerzupftem Leinen, Binden, Wattebäusche und Leinenzeug nebst Schienen für Knochenbrüche; auf einem andern Bette breiteten neben einem großen Topf Wachssalbe und einer Chloroformflasche Bestecke den blitzenden Stahl ihrer Werkzeuge aus, die Sonden, Pinzetten, Messer, Scheren, ein Rüstzeug in allen möglichen scharfen und schneidenden Formen, die zum Untersuchen und Zertrennen dienen. Aber es fehlte an Schalen.
    »Sie haben doch gewiß Näpfe, Eimer, Kochtöpfe, wasIhnen nur einfällt ... Wir wollen uns doch wahrhaftig nicht bis zur Nase mit Blut beschmieren! ... Und Schwämme, versuchen Sie mir Schwämme zu verschaffen!«
    Frau Delaherche beeilte sich und kam bald mit drei Mädchen zurück, die ihre ganzen Arme voll von sämtlichen Suppenschüsseln hatten, die sie hatte auftreiben können. Gilberte stand vor den Bestecken und rief Henriette durch ein Zeichen heran, um sie ihr mit einem leichten Schauder zu zeigen. Alle beide faßten sich bei den Händen und blieben schweigend stehen; in ihrem Händedruck lag ein dumpfer Schrecken, ein angsterfüllets Mitleid überwältigte sie.
    »Ach,

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